21 August 2006

Sommer im Schwimmbad ! 15 Kilo Biokäse!

15 Kilo Biokäse aus Ungarn !

Haben Sie schon einmal beobachtet, wie oft das Publikum in einem Freibad sich verändert? Fast im stündlichen Wechsel gibt es andere Leute, neue Gruppen erscheinen, breiten Handtücher aus und begeben sich in das kühle Nass.

Die Palette zieht sich von den frisch dauergewellten und lockengewickelten Omas, die gegen kraulende Manager wettern, weil die ja so fürchterlich spritzen und die kunstvoll drapierten Locken beschädigen, bis hin zu den Happening veranstaltenden Jugendlichen, die mit der Schule fertig sind und sich ins Leben stürzen.
Aber kennen Sie die Damen, die zwischen einer Kindergartengruppe und dem Mittagessenkochen ankommen? Das sind die Mamis. Nicht, dass ich etwas gegen Mamis hätten, aber sie sind manchmal ein wenig anders. Besonders. Immer besorgt pädagogisch wertvoll zu sein, immer auf dem neuesten Stand, was Lehrer, Betreuer und neue Kurse betrifft und noch interessierter daran, sich sportlich fit zu halten. Was ich verstehen kann, als Mutter ist man täglich aufs Äußerste gefordert!

Sie schlagen kurz nach den Managern und denen auf, die frei und beruflich sind und eine sportliche Pause machen möchten.
Zwischen denen, die dann Pause machen, wenn sie eine brauchen und denen, die in Kürze managend am Schreibtisch sitzen und schwitzen.

Wir, ich gehöre zu denen, die sportliche Runden ziehen möchten, sind schon im Becken, als die ersten Pampersbomber vorfahren und braun gebrannte, sehr gestresste Muttis ausspucken. Wobei ich mich im ersten Moment wundere, wieso sie so aussehen, als wären sie frisch aus der Karibik vorbei gejettet, bis mir einfällt, dass sie am Nachmittag in der Eisdiele am Kinderbecken, Scharen von spritzenden und schreienden Kindern betreuen müssen und sich so natürlich eine gewisse Färbung einstellt, wenn man es täglich tut.

Sie betreten schnaufend und schnatternd mit der Familienkarte hektisch wedelnd und mit großen Taschen bewaffnet das Freibad. Sie haben alle trendgerechterweise, einen Aquajogginggürtel an der Frau und fuchteln wichtig damit herum.Am Schwimmerbecken angekommen, schnattern sie weiter und schnallen sich die Styroschwimmhilfe fest um die Taille, um sich dann in 3er oder 5er Gruppen zusammen zu rotten und das Schwimmerbecken zu erobern.

Im Schwimmerbecken sind wir, die Nicht-Muttis und Nicht-Papis. Eben diejenigen, die frei und beruflich sind, selbst und ständig sind und sich am Vormittag eine Freistunde gönnen, um sich im kühlen Nass sportlich zu betätigen. Einträchtig und ruhig schwimmen wir nebeneinander, grüßen uns und genießen die Ruhe des Vormittags, bevor der große Ansturm kommt und Gettoblaster die Luft mit Rapversen und Punkbeats füllen und der Duft von Pommesfett über den Becken hängt wie eine Dunstwolke über der chinesischen Hauptstadt.

Womit wir nicht rechnen, sind die Muttis. Diejenigen, die schnatternd, schimpfend und hektisch gestikulierend eintreffen. Die Luft vibriert und es kündigt sich nichts Gutes für uns an, die wir unsere Ruhe so lieben.

Die Muttis haben ihre Treffpunkte, die 5 vom Imbissstand, die 3 vom Italienerkiosk und die 5 von der Sandbuddelkiste. So treffen sie ein.Ihre Kinder haben sie vorher in diversen Kindergarten-, Krabbel- oder Klassengruppen abgeliefert und wissen sie aufgehoben. Und jetzt, die nächsten 2 Stunden, die gehören ihnen. Schließlich ist Frau auch auf die Figur bedacht und braucht den täglichen Ausgleich zum Beruf, was jeder verstehen kann.

Es folgt das Ritual:Gürtelvergleich, Uhrenvergleich, Frisur sitzt bei jedem Wetter, wird aber noch einmal nachbetoniert. Die Schminke hält, die Muskelgruppe für die anstehenden Diszipline Klatschen und Aquajoggen und genau in dieser Reihenfolge, ist warm gelaufen und schon geht’s ab ins Wasser.Grundaufstellung eingenommen, durchgezählt, in Reih und Glied mit den Händen plätschernd, Muskeln noch einmal durchgeschüttelt und los geht’s.

Muskelgruppe eins, das sind die Füße, läuft los. Im Joggingschritt oder dem, was die einzelne Dame nun für sich als Joggingschritt definiert, bewegt man sich langsam vorwärts. Man ist darauf bedacht, Muskelgruppe zwei, die untere Gesichtsmuskulatur, die man für den Austausch wichtiger Informationen benötigt, wirklich ungeniert trainieren zu können und hält sich mit dem Oberkörper streng über Wasser. Man nennt diese spezielle Muskelgruppe auch Mund und die Disziplin heißt „Reden“.

Diese Disziplin ist hart. Der Mund bewegt sich unentwegt und so durchpflügt eine schnatternde Muttischar schnell redend und langsam joggend das Becken und legt sich mächtig ins Zeug.Es werden schwierige Diskussionen über ökologisch abbaubare Schnuller, Kochrezepte für fettarmen Kartoffelsalat und alkoholfreie und beschwingende Bowle bewältigt.

Frau diskutiert über pädagogisch wertvolle Kindergartentanten, miststückige Lehrerinnen und auch über die Väter, die Ehemänner und deren ungebührliches Betragen.Sie joggen und joggen. Brauchen unendlich lange und wir, die Freien, die schnöderweise mit Schwimmen zufrieden sind, müssen uns eine Bahn teilen. Wir sind zehn Schwimmer und eine Bahn. Gegen die Muttibande. Fünf Damen auf vier Bahnen.

Platz für die Joggerinnen! Die bessere Gesellschaft! Platz für die sportliche Schnattertruppe, die sich arrogant und mit missbilligendem Blick von uns abwendet. Sie brauchen den Platz notwendiger als wir. Schließlich sind die Arme als Ruder gedacht und benötigen pro Läuferin mindestens 1 m in der Breite. Nicht zu vergessen, das gebärfreudige Becken mancher Dame, das auch untergebracht sein muss.

Aber klar, wir verstehen es, die wichtige Kommunikation der Aqua joggenden Damen muss gewährleistet bleiben. Die Verständigung würde nicht klappen, würden sie in Zweierreihen das Becken durchpflügen.Wir schwimmen Slalom, ärgern uns im Stillen. Zunächst. Bis wir so wenig Platz haben, dass ein organisierter Aufstand droht. Sportliche, ruhige Schwimmer gegen strampelnde, schnatternde Mütter. Wer wird siegen?

Es strampeln bis zu 4 Grüppchen gleichzeitig durchs Becken, unfähig, sich zu teilen und dem Rest der Welt, der in ihren Augen weder pädagogisch noch wertvoll noch gebildet ist und wenig miteinander redet, ein bisschen Platz zu lassen.Sie laufen stoisch und gemütlich ihre Bahnen und fühlen sich sportlich, fit und wichtig. Toll! Und die Frisuren halten, während wir gegen schwappende Wellen kämpfen, uns treten und richtig sauer werden.

Und es reift der Aufstand. Wir belauschen sie zunächst nur, um herauszufinden, ob wir uns mit boshaften Kommentaren an den Gesprächen beteiligen können. Aber wer von uns schnöden Schwimmern kann sich schon über das Thema des Tages unterhalten?

15 kg Biokäse aus Ungarn.
Herstellung, Transport, Ökosiegel, Verteilung in den Familien, Preis und Geschmack. Kompostierbarkeit, Fettgehalt und nachdem der Käse auch wirklich eine Stunde Thema ist, muss er schon besonders gehaltvoll sein. Und zwar in jeder Hinsicht.Sie werden immer breiter und sehen so aus, als müssten sie den Käselaib persönlich durchs Becken transportieren, um ihm weiteres Aroma zu verpassen und ihn zu kühlen. Verträgt Biokäse so etwas überhaupt? Wann die Kostproben denn kommen würden, fragen wir, als die Damen wieder am Beckenrand anklopfen, wo wir uns breitgemacht haben.
Wir ernten böse Blicke. Wie die "Golden Girls" in jüngerer Ausgabe missachten sie uns, fühlen sich missverstanden und beleidigt. Und werden breiter. Dreiviertel der Beckenbreite sind jetzt Käsethema.

So geht’s nicht. Wir wollen entweder Käsehäppchen oder mehr Platz! Beschluss der Aufständler, wir durchbrechen zu viert.

Und wir ziehen los, Mission "Biokäse" läuft. Kraulend, planschend und spritzend durchbrechen wir die 5er Kette und lassen den Käse glatt untergehen.

Tauchen unter den Damen durch und versenken den geschwallten Käse mitsamt den Damen in den Wellen des Beckens und lachen diebisch über die zerstörten Frisuren, die nun müde und traurig in strähnig betonierten Fransen um den Kopf drapiert sind und bewundern die Make-ups, die nun zu Pandabärenaugen verlaufen sind.

Die Damen verlassen das Becken. Am Beckenrand wird gestylt und nachgeschminkt, die Pandabärenaugen werden abgewischt und sofort nachjustiert, die Gürtel werden sorgfältig verstaut. Empört und beleidigt streben sie im Gänsemarsch dem Ausgang entgegen. Dabei schnattern sie wild über unsere Unverschämtheit und unsere freche Art. Aber, wir sind stolz, das Becken gehört jetzt fast uns. Wir können endlich ungestört unsere Bahnen ziehen.

Wir grinsen uns eins, wir haben gewonnen. Heute. Wer soviel Platz braucht, wird versenkt. Aber was wissen wir schon. Wir sind ja nur das langweilige Schwimmervolk, das es eigentlich nicht verdient hat, im Freibad zu schwimmen. Wir sind nicht so gebildet, das wir die Vielfalt eines Themas begreifen, geschweige denn umsetzen und ausschöpfen können. So ein Käse hat viele Facetten, die es zu betrachten gilt. So ein Käse.
Aber das war es ja auch. 1 Stunde Biokäse mit dem Garantiesiegel für pädagogisch wertvollen Inhalt aus dem Freibad. Aus Bayern.