19 April 2007

Samstag im Stadion oder an die Jungs !

Ok, Jungs, ihr habt meinen Respekt!

Nie hätte ich gedacht, dass mir das jemals passiert, aber, mein Traum ist wahr geworden.
Jahrelang bin ich frustriert in Warteschlangen gestanden, die Beine halb verknotet und mit leidender Miene, weil ich aufs Töpfchen musste und immer habe ich euch beneidet.
Ewig stand ich in der Warteschlange und habe mich mit allen Fasern nach dem Klo gesehnt. So wie so viele andere, die vor mir und nach mir in der Reihe standen auch.
Bei Euch war alles anders. Immer schon.
Immer konnte Mann bei euch aufs Klo. Ohne Warten, ohne Schlangestehen oder Streit, wer als Erster da war. Im Sekundentakt habt ihr eure Geschäfte erledigt und nie standet ihr in der Schlange. Und ich war grün vor Neid und dem dringenden Bedürfnis, zu müssen.
Sogar das ein oder andere Herrenklo habe ich schon geentert, wenn es mal wieder länger gedauert hat und bei uns wieder mal kein Ende in Sicht war.

Und dann? Dann sehe ich Schlangen. Schlangen vor dem Männerklo. Die leidenden Mienen fehlen noch, aber, ihr steht Schlange! Vor dem Klo mit dem Männermännchen an der Tür. Ihr steht da, lammfromm und ernst. Schaut zwischendurch auf die Uhr, weil nur 15 Minuten Zeit, um Bier zu holen, aufs Klo zu gehen und den harten Plastikstuhl wieder einzunehmen ist ein wenig knapp kalkuliert. Aber, es reicht, um dann wieder eurem Hobby zu frönen. Es gibt sie noch. Die Gerechtigkeit zwischen Männern und Weibern.

Gut, ich habe mich eingeschmuggelt. In eine Männerdomäne. Samstags im Stadion. Recht war mir das ja nicht so wirklich, denn ich kann mir schönere Dinge vorstellen, als 22 Männer, einen Ball und drei schwarze Männer auf einem Rasen. Aber, gut, wenn man von mir verlangt, dass ich die nette Begleiterin im Stadion gebe, bitteschön. Ich bin ja durchaus offen für Neues und man sollte Erfahrungen machen, wenn sie einem geboten werden. Und das, was ich alles gesehen habe, wars echt wert.

Auch, wenn ich anfänglich fast von der steilen Tribüne der Allianz Arena gekotzt hätte, weil mir bei der Höhe unsere Plätze eben übel wurde und wir weit vor dem Anpfiff bereits erforscht haben, wo wir denn sitzen würden, aber, ich war im Stadion. Auch wenn ich kurz zur Salzsäule erstarrt auf meinem kalten Plastiksitz saß und wirklich überlegte, wie ich je wieder aufstehen könnte, da der Rang ganz oben und die Tribünen wirklich steil angelegt sind. Was zwar gut ist für die Aussicht, aber, sehr schlecht für mich und meine Höhenangst.

Die Bayern sollten übrigens die Schalker vom Platz putzen und das Stadion war ausverkauft. 69000 Menschen im Rund der Tribünen. Ein wahrer Hexenkessel.
Und mein Magen beruhigt sich, als ihr alle gekommen sein, euch hingehockt und gejubelt habt, als die ersten Kontrahenten des Spiels zum Warm Up auf den Rasen kommen. Die Stars des Spiels sind schon vor dem Spiel eure Helden. Aha! Fast so wie bei uns, wenn wir zum Popkonzert gehen und schon vorher vor Freude quietschen.

Ich sehe den Titan Kahn der sich manchmal irgendwie nicht benehmen kann, Schweini der sich nicht als Wurst sehen möchte und Poldi der in meinen Augen nicht ganz verstanden hatte, dass er ein roter Spieler ist und die Blauen die Bösen waren. Da waren der lichte Oberkopf von Herrn Hitzfeld und noch einige andere mehr. Himmel der Bayern eben! Geballte Testosteronpower auf dem heiligen Rasen.
Und dann, die zweite Respektswelle erfasst mich, ihr könnt auf einen Vorturner hören!
Der Chef der Südkurve stimmt ein Lied an, ihr singt brav mit. Der Text sitzt, die Frisur auch und die Stimme ist mit Bier und Bockwurst geölt.
Ihr hopst sogar auf Kommando im Takt und wenn einer ein Tor schießt, springt ihr von selbst auf! Ich bin beeindruckt. Vor allem von dem Vorturner. Der gibt Befehle und Anweisungen und ihr Jungs reagiert sofort! Diszplin pur, einfach mal das tun, was einem gesagt wird, könnt Ihr also auch! Das, was wir schon lange können, könnt ihr also auch? Wow! Wo doch Männer gerne die Rebellen sind, die Einzelkämpfer und das tun, was sie wollen und grundsätzlich gegensätzlich zu so mancher Anweisung handeln. Ich bin beeindruckt.

Der Mann, also der Leiter der vereinigten Bayernchöre, der vom Spiel nichts sieht, weil er mit dem Rücken zum Spielfeld steht, macht´s euch vor. Ihr, die Ihr singen und tanzen, ja TANZEN, könnt, macht es nach. Und ich vermute, der gute Mann mit der 72 auf dem Rücken, trainiert euch wahrscheinlich heimlich.
Und vermutlich gibt er Videos und DVD´s heraus, die ihr Jungs euch kauft, um die rituellen Stadiontänze wirklich gut drauf zu haben. Eben das, was wir von unseren Fitnessgurus auf DVD kaufen, wenn wir wieder mal unseren Speckröllchen den Kampf ansagen, kauft ihr, um im Stadion eine gute Figur zu machen. Ja, so muss es sein.

Er will eure Schals sehen, ihr zeigt sie ihm und als wir nach 3 Spielminuten jubelnd die Schalker auslachen, weil die Bayern ein Tor geschossen haben, jubelt ihr im Chor und seid euch wieder mal einig.
Ich bin mir auch einig mit euch und gröle mit. Ich habe ja nichts anderes zu tun und nachdem von allen Seiten erklärt wird, wie das besser laufen könnte, erhalte ich genügend Informationen, um zu lernen und das Spiel da unten zu verstehen.

Und ihr merkt euch Namen! Von wegen: „Äh Schatz, wie hieß der gleich, mit wem haben wir gerade geplaudert?“ Nein! Ihr sagt sie auswendig und fehlerfrei dem Stadionsprecher, als der die Daten abfragt. Richtig, Setzen, Eins mit Stern. Er bedankt sich höflich, ihr sagt höflich: „Bitte!“ und freut euch. Schön! Wieso geht das eigentlich nicht im normalen Leben, frage ich mich und stehe schon wieder, weil es grade spannend wird und alle stehen und ich sonst nichts mehr mitkriege.

Jungs, ihr habt mich echt noch einmal überrascht! Ihr könnt so gefühlvoll sein. So emotional. Und das hatte ich nun gar nicht erwartet. Ich kenne euch doch eher gefasst, cool, straight und total beherrscht und da? Im Stadion wird ausgeflippt. Im Chor gegen andere Fankurven gegrölt und die Spieler nach vorne geschrieen. Ihr erklärt denen sogar voll emotional seine Fehler obwohl er euch von da oben gar nicht hört und seid selber am Leiden, wenn die Jungs es wieder mal total versemmeln und den Ball nicht abgeben.
Eine Liebe herrscht unter Euch. Es wird sich umarmt, eingehängt und angelacht. Von wegen Rowdytum und harte Kerle. Und ich freue mich.

Von wegen Machotum. Ha, ihr werdet zu gefühlvollen Männern, die durchaus Männer sind, aber, eben auch zeigen, wenn sie leiden. Wieso geht das nicht bei uns Frauen? Wieso muss ich als Frau erst lernen, was ein Abseits ist, bevor ihr mir zeigt, dass ihr so schön jubeln, leiden, lieben und streiten könnt? Und ganz ohne Gewalt, sondern einfach voller Emotion und Freude. Eben so, wie wir uns Männer immer wünschen! Wieso also nicht im Alltag?
Schön ist so ein Nachmittag im Stadion! Ich komme wieder, weil es so schön ist, wenn Männer mal ihre ganz andere, vielleicht ein wenig uncoolere Seite zeigen und man so richtig mitfeiern kann!
Danke Jungs, meine Welt ist noch mehr in Ordnung, als sie es schon war, denn, ich finde es voll cool, wenn ihr mal uncool werdet und genauso mit der Schlange auf dem Klo zu kämpfen habt wie wir Mädels!
Ach ja, schön auch, dass die Bayern die Schalker richtig schön weg geputzt haben. Wir haben nämlich gewonnen ! Jawohl ! Und ich war richtig stolz auf die Fußballmannschaft!

Eure seit neuestem sehr fußballbegeisterte

Birgit
Ach ja, der Tag, der mein Weltbild krass verändert hat, war der 31. März 2007!