25 April 2008

Es gibt Tage....

.....an denen glaubt man, zu verlieren. Zuerst gewinnt man, dann verliert man kurzfristig, um dann festzustellen, dass die Welt schön ist und doch wieder gewinnt.

So ungefähr ging es mir heute. Zuerst hatte ich ein Interview. Habe ich schon erwähnt, dass ich neuerdings Interviews gebe? Das ist etwas ganz Feines und Schönes und ich genieße das ja schon. Ich war in meiner Heimat unterwegs und habe die Stadt ein wenig aufgemischt und das auch sehr genossen.

Am Nachmittag machte ich mich gut gelaunt auf den Heimweg. Mein kleines Schwarzes (äh, das Auto!) brummte und schnurrte und wir fuhren noch eben an eine Tanke, um eine schnelle Heimreise zu sichern. Es handelt sich um eine jener Tankstellen, an der man noch günstiger tankt, sodass Frau zwangsläufig in einer Schlange steht.

Während mich Amy Winehouse mit ihrer Soulstimme erfreute, saß ich lesend am Lenkrad und wartete darauf, dass ich an der Reihe war. Eigentlich mag ich Warteschlangen. Sie sind Brennpunkt sozialer Krisen, hektischer roter Flecken und vielleicht auch Ekelpickel, wenns ganz drastisch kommt.

Nun, Ekelpickel bekam ich nicht, als der Jüngling im übernächsten Auto mit seiner kleinen Freundin einige züngelnde Spielchen spielte und ich bekam auch keine roten Flecken, als sich die Oma im nächsten Auto hinter mir über den immer noch ziemlich heftig züngelnden Jüngling aufregte. Was aber auch ein Verhalten!

Aber ich bekam rote Flecken, hektische, fürchterliche rote Flecken. Ich wünschte mir sogar ein Mauseloch herbei, denn mein Auto machte entsetzt "FLONK" sackte rechts vorne nach unten und schnaufte tief. Das kleine Schwarze hatte eine Krise und mein Adrenalinspiegel schoss von 0 auf 100 in 0 Sekunden. Das "FLONK" war laut. Sehr laut. Als ich mich vorsichtig umsah, bemerkte ich, dass absolut alle die in der Reihe standen, zu mir hinsahen.

Leicht errötend und mit einer gewissen Hitzewallung im Anzug stieg ich (noch in High Heels und mit rotem Lippenstift) unschuldig aus meinem Auto, zuckte die Schultern, schlich geduckt um meinen rebellischen Kleinwagen herum und bemerkte nur, dass er auf der rechten Vorderseite etwas schief nach unten hing.
Erst dachte ich, ich hätte einen Platten, aber flonkt ein Platten? Nein, er macht "Zischschschsch..." und nicht "FLONK" und auch nicht so laut. Ausserdem wirkte der Reifen absolut nicht platt.

Mit einem unschuldigen Schulterzucken und einem entschuldigenden Lächeln stieg ich ein, atmete tief, ließ das Auto an, trat aufs Gas, schaute auf dem Armaturenbrett nach den Warnleuchten und fand nichts. Der Wagen schien total in Ordnung. Außer, dass das Armaturenbrett irgendwie ein wenig nach rechts unten hing.

Ich beschloss vorerst, meinen Zapfsäulenplatzanspruch zu verteidigen und den Wagen vollzutanken. Dann ging es weiter. Wie mein Auto bekam ich ebenfalls eine leichte Schräglage, als mir der Tankwart anbot, mal eben "unters" Auto zu schauen.
Der Mann war ein Goldschatz, mit fast neckischem Blick musterte er erst mich, sah in meine verzweifelten Augen und kniete dann vor mir nieder und inspizierte den rebellischen Kerl, der sich mein Auto schimpft.

Ich ließ ihn sogar seinen Blick für einen kurzen Moment an meinen roten Pumps und meinen engen Jeans entlangschweifen. Lag er mir doch zu Füßen und war wirklich mehr als bemüht, mir zu erklären, was passiert war. Meine Federung war gebrochen, daher hing der Wagenkerl durch. Und ich auch. Ich fand das richtig klasse und es kam noch dicker!

Der Mann kam unter dem Auto hervor, ich hauchte "Sie sind ja so nett!" und bekam dann die Quittung. Auf meine Frage, ob ich denn den 150 Kilometer langen Weg nach Hause antreten könne, schüttelte er nachdenklich den Kopf und meinte skeptisch, dass das nicht möglich wäre.
Auf der Stelle erschienen rote Flecken auf meinen Wangen. Inseln zwischen Stresspickel und ein wenig Blässe um die Nase. Dazu kamen hektische Panikattacken.

Um mich zu trösten, meinte der nette Mann aber, dass ich es in die Stadt zurück zum passenden Autohändler mit 50 Km/h schaffen müsste.
Na prima. Ich, fern der Heimat, sehnsüchtig nach dem rettenden Herzblatt nebst passendem Lieblingsautomechaniker und meinem Schmusekater, stand also in der Fremde und musste mir sagen lassen, ich dürfe nur 50 Km/h fahren! Wissen Sie, wie langsam 50 ist, wenn alle Hupen und Fuchteln und einen wahrscheinlich verwünschen und die Alte in der langsamen Karre was weiß ich wie beschimpfen? Ich weiß das jetzt und es war mir zu blöd.

Also hielt ich an und machte meine Selbstrettung klar. Erst schilderte ich Herzblatt das "FLONK" und durfte panisch kurz Unsinn sabbeln. Denn das mache ich gerne, wenn ich eben panisch bin und nach Hause möchte. Dann beruhigt er mich und labert mich im wahrsten Sinne des Wortes ebenso unsinnig nieder. Heute in der Variante: Die Scheißkarren gehen halt einfach mal kaputt und das kann man reparieren! Don´t worry Baby!

Neutral und gefasst rief ich den Lieblingsautomechaniker an und erzählte ihm genau von "FLONK" und unserer Schieflage. Denn mittlerweile hatte auch ich das Gefühl, dass nicht nur das kleine Schwarze ein wenig schief lag.

Es folgte die Rettung. Federung im Eimer, lautete die Ferndiagnose, denn so, wie er sich anhört, hängt er nicht ganz durch, sondern nur ein wenig und das wiederum ist nur der Bruch des ersten Federdings (fragen sie mich nicht, ich bin nicht vom Fach, bei Schuhen könnt ich es erklären!) und das wiederum ermögliche die Heimfahrt. Mit 100 Km/h auf der Bundesstraße. Nicht schneller! Das hörte ich dreimal, denn der Lieblingsautomechaniker kennt meinen bisweilen recht schwungvollen Fahrstil und schärfte mir eine Geschwindigkeitsbegrenzung ein, an die ich mich hielt.

Ich atmete auf. Herzblatt war erreichbar und das Auto würde wieder in waagerechte Position gebracht werden und ich konnte endlich meine Heimfahrt antreten. Schnell wechselte ich Pumps gegen alte Turnschuhe, die ich immer im Auto habe, legte Wasserflasche und Telefon auf den Beifahrersitz, legte eine Beruhigungs-CD ein und trat meine Fahrt an.

Was dann kam, war wunderschön. Selten fahre ich wirklich langsam. Eher fahre ich schnell und ohne mich umzusehen. Heute hatte ich aber Zeit. Es war eine Landpartie im wahrsten Sinne des Wortes, denn weitab von Autobahn und Raserrache fährt es sich gemütlich durch Dörfer und kleine Gemeinden, die alle freundlich und liebevoll gestaltet sind.

Alle Laster freundlich und leicht nach rechts geneigt grüßend fuhr ich langsam nach Hause. Für eine 56-Minuten-Fahrt brauchte ich 125 Minuten. Und ich beschloss, mich nicht zu ärgern.

Denn ich sah den Frühling mit seinen grünen Daumen nach der Natur greifen, die Donau fröhlich und gemächlich ihre Runden ziehen, und rettete zwei Katzen, drei Hasen und ein unidentifizierbares kleines Tier vor dem Tod, weil ich ja nicht schneller als 90 Km/h fuhr. Ich dachte, ich sollte auf Nummer sicher gehen.

Meinem kleinen Schwarzen redete ich gut zu. Ich lobte ihn, lernte Kanaldeckelslalom und Fernortung von üblen Schlaglöchern, weil ich ein wenig Angst hatte, mit dieser Tieflage aufzusitzen und übte mich in Gelassenheit, rüde und hupende Supermachos oder dumme Anmacher betreffend.

Es war richtig gemütlich und die Deutschen sind Rüpel, was ihr Verkehrsverhalten angeht. Sie rasten regelrecht aus, wenn man unter 100 Km/h fährt und wenn man genau 100 Km/h fährt, werden sie aggressiv. Wieso eigentlich? Auf Bundesstraßen haben wir doch eine Geschwindigkeitsbeschränkung oder?

Letztlich war es ein Gewinn. Und der Tag, der gewinnend seine Arme ausstreckte, ließ mich auch nicht los. Denn jetzt weiß ich beispielsweise, wie schön Bayern neben den großen Straßen ist, und habe mir vorgenommen, im nächsten Urlaub einen Tag lang nur auf Nebenstraßen zu fahren, Landgasthöfe mit Biergärten zu entdecken, Badeseen zu besuchen und der Langsamkeit ihren ganz eigenen Lauf zu lassen.

Probieren Sie es doch auch einmal! Aber vielleicht absichtlich und nicht erst mit einem Auto, das eine Schieflage wie ein betrunkener Biergartenbesucher hat!

In diesem Sinne war dieser Tag ein Gewinn. Ein Gewinn in Sachen Langsamkeit, weniger Raubeinigkeit auf den Straßen und für das, was neben der Straße ist?

Oder mögen Sie es nicht, sich einfach mal genauer umzusehen und das, was daneben liegt, wahrzunehmen?

Birgit Bauer