09 Juli 2008

Schrankgespenster und Stil!

„In dem Schrank wohnen Gespenster!“, war mein abendlicher Lieblingssatz mit fünf Jahren. Ich hasste meinen Kleiderschrank und war davon überzeugt, dass darin üble Gespenster, verwunschene Geister und bösartige Trolle hausten.
Absolut sicher, dass mich diese Wesen, während ich schlief, in die Unterwelt verschleppen, machte ich Theater, bis ich völlig sicher war, dass die Türen fest verriegelt waren. Solange der hölzerne Kleiderknecht nicht völlig verschlossen war, war ich weder bereit einzuschlafen, noch Ruhe zu geben. Ich gab mich meiner fantastischen Geisterneurose auch gerne hin.

Bis vor wenigen Wochen war das immer noch so. Üble Zeitgenossen, die mich immer wieder hämisch angrinsten, wohnten in meinem Schrank. Sie waren meist sehr farbig, unförmig und hatten lange Arme, mit denen sie mich leicht würgend umschlangen und einwickelten, sodass ich meine guten, wirklich tollen Teile nicht beachtete. Es ist wirklich faszinierend, wie raffiniert voluminöse, langweilige und unter Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom leidende Kleider sich verhalten.

Es ist wohl DER Albtraum einer jeden Frau. Die Frage: „Was ziehe ich an?“ resultiert dabei oft nur aus der Tatsache, dass im Schrank ein Sortiment an überflüssigen Kleidungsstücken hängt, das die wirklich guten Teile überdeckt. Die Folge ist Frustration und Krisenstimmung.
Die einzig wirkliche Problemlösung ist eine konsequente und äußerst schmerzvolle Gegenmaßnahme, die darin liegt, zu reduzieren. Aussortieren. Und es ist definitiv nicht das Ende der Welt, wie ich eindeutig feststellte!
Eigentlich war ich sicher, ein Teil für jeden Anlass zu besitzen. Quasi, die gut gekleidete Dame von Welt zu sein. Dennoch fühlte ich mich schrecklich langweilig und unangezogen. In dem Wissen, ein wenig Stil in Sachen Outfit zu haben, litt ich unter der Tatsache, ihn im Chaos nicht zu finden. Irgendwie schien er von den dunklen Mächten der ungefragt in meinen Kleiderschrank hausenden Modesünden entführt worden zu sein. Täglich hing ich angestrengt in den Seilen meiner Wäschebergexpeditiontsausrüstung mit der Schere zum Notpickel umfunktioniert, um mir den harten Weg durch den Dschungel aus Kleiderbügelbäumen und Ärmellianen zu bahnen. Ertrank jedoch regelmäßig in der Fülle und traf voreilige Entschlüsse mit dem Ergebnis, mich wieder langweilig zu finden.
Ein Buch über Stil, das mir beim Stöbern in der Buchhandlung in die Hände fiel, war hilfreich. Aus der Liebe zu Kleidern, die wirklich zu uns passen, so erfuhr ich nach und nach, entsteht die Selbstliebe, die uns gut tut und gut aussehen lässt.
Mein Entschluss: Das Ankleidezimmer sollte anstatt einer Kleideraufbewahranstalt eine richtig kleine Boutique werden und ein Kleinod in Sachen Stil sein. Das Anfangssortiment unterzog ich einer strengen Prüfung. Ich stellte mich den Schatten der Fummelquikies, Frustbeulen und Ärgerklamotten. Entschlossen, diesen windigen Gesellen den Räumungsbefehl zu übermitteln.
Erste Einsicht: Frustkäufe sind die eindeutig falsche Therapie und den Satz „ich hab nichts anzuziehen“ muss Frau völlig von der Liste streichen. Wir haben alle genug davon und die Übersicht verloren, weil soviel da ist.

Zweite Einsicht: Klassische Fehlkäufe, Mitleidskäufe oder auch peinliche „Ich beweise mir selbst, dass ich in die kleinste mögliche Größe passe“ –Käufe sind nicht sinnvoll. Sie sind höchstens eine kurzzeitige Verblendung des Blickwinkels. Hämische Kleingeister und Trolle, die ganz deutlich zeigen, wo der Schwimmreifen hängt und welches Profil sich unterhalb der Gürtellinie bereits in unseren Oberschenkeln verewigt hat.

Wild entschlossen begann ich meine Räumaktion. Die Kleider zu sortieren war nicht einfach. Um den Trennungsschmerz zu überwinden, bildete ich Reisegruppen. Die Gruppe der „Nevercomeback-Reisenden“ erwartete ein One - Way - Ticket, andere kamen in eine Art Warteposition und wieder andere verwandelten sich in Euros. Im Second Hand Laden. Nach einer gewissen Zeit bemerkte ich ein wenig erstaunt, dass der Gruselfaktor zunehmend verschwand und ich konzentriert meiner Aufgabe nachgehen konnte. „Mission Entgruseln und eigener Stil“ entwickelte sich zum Erfolg.

Dritte Einsicht: Der Stil ist umwickelt von Stoff. Meine Eigenanalyse ergab, dass mein Stil vorwiegend in wallenden Gewändern Marke „Zeltvorbau“ oder „Camping für 4 Personen“ verborgen gewesen war. Ich hatte mich in einem Anfall von Speckröllchenfrust ins falsche Geschäft verirrt und scheinbar im Frustwahn Stoff im Kilo gekauft. Dabei hatte ich noch nicht einmal Mengenrabatt bekommen! Im Laufe meiner „Verschlankung“ stellte ich fest, dass ich immer wieder an dieselben langweiligen Stücke geriet, die meine eigentlich sehr schöne Garderobe begraben hatten.
Einige auserwählte Teile haben eine Art Zwischenlager bezogen. In einem Karton, der auf dem Dachboden Asyl fand. Es sind Teile, die mir im Moment zu teuer sind, um sie einfach so wegzugeben. Obwohl ich annehme, dass auch sie noch eine Reise antreten werden, weil ich sie zu lange habe.

Vierte Einsicht: Alles hat ein Verfallsdatum, weil es aus der Form gerät, verwäscht und nicht wirklich modisch bleibt. Ehrlicherweise muss es dann auch raus. Weniger ist mehr!

Mein persönlicher „Laden“ offenbarte mir schnell ein neues, freundlicheres Gesicht. Hosen und Blusen hängen bereits zusammenkombiniert im Schrank, was Zeit spart. Alle Kleidungsstücke liegen nach Form und Farbe sortiert in ihren Regalen und verführen mich täglich zum „Shoppen“ im eigenen Sortiment. Mein modischer Spürsinn ist gar nicht so schlecht! Nachdem ich mich mittels einschlägiger Medien weitergebildet und ein wenig Lektüre in Form von Büchern und Zeitschriften zu mir genommen hatte, kam das eigene Wohlfühlgefühl zum Vorschein, dem Indikator für das passende Outfit für alle Gelegenheiten.

Meine Entscheidungen in Sachen „Kleidung“ veränderten sich drastisch. Ich bin wählerischer, genauer, sicherer und umsichtiger geworden. In fraglichen Fällen gehe ich neuerdings mehrfach zur Anprobe, bis ich wirklich sicher bin. Was, am Rande bemerkt, so manche Verkaufskraft zur Weißglut treibt, da ich dann die "Hilfe" kategorisch ablehne. In vielen Läden verkauft man Mode nach Masse. Auch wenn man bei der Anprobe aussieht, wie Hulk mit zu kleinen Shorts, ist es den „Beratern“ egal. Der schnelle Euro zählt und das ist schlecht. Für unsere Seele, die Geldbörse und unseren Kleiderschrank. Um solche Einschleicher in Form von Hulkshorts sofort auszusortieren, habe ich neuerdings auch eine Einlasskontrolle.

Fünfte Einsicht: Man benötigt eine Erinnerung an den eigenen Stil. Einen Bodyguard für die Einhaltung der eigenen, modischen Richtlinien. Nur Teile mit ausdrücklicher Einladung finden wirklich offene Türen vor. Der Bodyguard ist ein vorbildliches Basic, das mich nun immer daran erinnert, dass es mehr gibt, als den schnellen Fummelkonsum. Ein beiger Hosenanzug von bester Qualität. Er erinnert mich täglich daran, dass ich weiß, was ich will und keine falsche Beratung benötige. Anziehen soll Spaß machen, die eigene Linie zu finden ist wichtig. Man unterstreicht damit die Persönlichkeit und hat eine ganz andere Ausstrahlung. Ich kaufe nur das, was mir passt, lasse die Finger von vermeintlichen Schnäppchen und überlege mir genau, was ich wie tragen und kombinieren möchte.

Sechste Einsicht: Ich gehe neuerdings alleine einkaufen, wenn ich ernsthaft vorhabe, ein neues Teil zu erwerben. Ohne Freundinnen, denn auch die können sich schon mal irren. Sorry Mädels!

Meine neueste Geheimwaffe ist eine Shoppingliste, die ich immer dann ergänze, wenn ich meine, ein neues Teil zu benötigen. Diese Liste wohnt in meiner Handtasche und ist eine meiner besten Freundinnen. Und wenn mal wieder gar nichts klappt, habe ich noch mein neues Shoppingmantra für verzweifelte Momente: Mode ist nicht immer Stil. Und im Gegensatz zur Mode passt der eigene Stil. Immer!

Mein Stil ist wieder zurück! In meinem Schrank, ohne die wallenden Geister der farbenfrohen und unpassenden Vergangenheit. Und Ihrer?

Ach ja, wenn Sie von Ihrem Herzblatt demnächst gefragt werden, ob Sie noch etwas anzuziehen haben, wenn er Ihren reduzierten Kleiderschrank sieht, dann sind Sie garantiert auf dem richtigen Weg. Sie haben offenbar Ihren ganz persönlichen Stil gefunden, wirken und strahlen noch aus dem Hosensaum. Und wenn Er darauf besteht, Ihren Bestand ein wenig aufstocken zu wollen, sagen Sie nicht Nein, schließlich haben Sie jetzt Ihre ganz persönliche Shoppingliste, nach der Sie Ihre Anschaffungen neuerdings tätigen und wenn ER es doch gerne tut.....

Juli 2008 Copyright by Birgit Bauer