05 September 2006

Wie man als Powerdiva richtig shoppt ! Oder, was macht Frau mit großer Grösse ?

Ich stand vor dem Teil des Jahres! Ein traumhaftes Kleid hing vor mir auf dem Bügel. Präsentiert mit passenden Schuhen und wunderbaren Ohrringen, garniert mit einer kleinen Kette, einem süßen Strickjäckchen und einem winzigen Handtäschchen.
Das wars!
Ein Träger war mit kleinen Rüschen verziert, die sich diagonal über das Kleid hangelten und im asymetrischen Schnitt des Traumteils endeten. Ansonsten? Schlicht. Schick. Tragbar zur Gartenparty, aber auch in die Stadt zum Bummel oder um jemanden zu besuchen. Und mit dem Jäckchen würde es auch ins Business passen. Wunderbar.
Gierig probierte ich zunächst die Schuhe. 38, wie immer. Feinstes Wildleder. Ziege, wie mir die wirklich sehr nette Verkäuferin versicherte. Kleiner Absatz, passendes, helles, gar pudriges Rosé und wunderschön. Weich und verführerisch schmiegte er sich an meinen Fuß und ich war sofort verliebt. Äh, habe ich erwähnt, dass ich eine Leidenschaft für Schuhe habe und man mich mit Gewalt aus diversen Schuhgeschäften entfernen muss, da ich sonst dort übernachten würde?
Wie auch immer, die Verkäuferin hatte mich. Ganz und gar. Mit Haut und Haaren. Und ich wollte dieses Outfit. Eine Gelegenheit hatte ich bereits gefunden und war sehr glücklich, ein passendes Ensemble vom Kopf bis zu den Zehen zu bekommen.
Wir begannen die Suche nach der richtigen Größe. Und das Dilemma begann. Das Jäckchen war da. Super. Endlich ein Hersteller, der auch Größe 46 schneidert und das in einem passablen Schnitt. Denn, die Erfahrung hat mich in der Vergangenheit gelehrt, dass zwischen Schnitt und Schnitt ein erheblicher Unterschied besteht. Das Größenverständnis diverser Designer hat in den letzten Jahren doch sehr gelitten. Zum Nachteil von uns Vollweibern, die den Gemälden Rubens entstiegen scheinen und nicht mehr ganz so gut in diese Welt passen, ginge es nach diversen Diktatoren der Modewelt.
Also ich war wirklich sehr glücklich, dieses wunderbare Wickeljäckchen aus feinem, weichem Jersey zu ergattern. Es passte wunderbar. Und, weil der Schnitt des Kleides einer leichten A-Linie folgte, also, für mich Powerfrau vorteilhaft, kreiert worden war, würde es eine schöne Taille formen und meine weiblichen Rundungen äußerst schmeichelhaft betonen.
Welch ein schöner Tag!
Dachte ich!
Es fand sich sogar das Kleid in der passenden 46. Und, wie die Verkäuferin mir gleich bestätigte, wäre es sogar großzügig geschnitten. Voller Vorfreude ging ich in die Kabine.
Kabinen mag ich eigentlich nicht. Es sind Kartons, die einen ständig bemogeln. Ständig !
Sie haben Spiegel, die einem 5 kg mehr ins Gesicht und auf die Hüften hängen. Obwohl sie da gar nicht sind, lassen sie Einen leiden und sind eng. Außerdem ist in solch kleinen, Kabuffähnlichen, von Holzwänden umhüllten Quadratmeterparzellen immer eine schlechte Atmosphäre. Es scheint, der Frust der Vorprobiererin hängt noch an den Wänden und tropft aus dem Vorhang. Er scheint den Spiegel mit Neid zu vergiften und gleichzeitig ist es, als ob das schlechte Gefühl als imaginäres Päckchen auf dem Hockerchen liegt und in Tüten an den Haken hängt. Ich mag Kabinen nicht und trotzdem betrat ich eine. Mutig, weil es doch mein Kleid sein sollte und ich für diesen Traum gerne ein Opfer bringen würde.
Doch diese Kabine war für Damen gemacht, die nicht mehr als 36 tragen. Sie war klein. Wie rationiert. Rationierter Platz für Damen die ab Größe 38 als dick gelten. Fürchterlich.
Dabei, dachte ich bei mir, wäre es doch viel komfortabler, schöner und wesentlich schicker, eine ausreichend große Umkleide zu haben. Die Damen würden sich wohler fühlen, Spaß am Einkaufen haben und der Frust könnte keinen Einzug mehr halten. Hier war er da. Eindeutig. Und er hatte mich schon gewittert. Böser Kerl.
Ich zog mich also aus. Stand halb entblößt vor dem Spiegel und bekam das erste Mal an diesem Tag hektische Rote Flecken in Form von Südamerika links und Australien rechts im Gesicht. Bauer, dachte ich, du bist dick! Bis mein gutes Gewissen meinte, nein, du bist eine Frau mit Format und dieser blöde Spiegel will dich nur schlecht beeinflussen.
Schnell nestelte ich das Kleid vom Bügel. Denn, mittlerweile hatte ich Italien auf der Stirn und Mallorca auf der Nasenspitze. Uaaaaaa !
Ich krallte mir schnell, hektisch und mit meiner Gesichtslandkarte das Leichtgewicht aus Chiffon und Seide und versuchte, in das Kleid zu gelangen.
Ok, von unten hinein ging gar nicht, also über den Kopf. Was mir meine Frisur ruinierte. Und das an einem Tag, wo ich meine Haare wirklich schick hinbekommen hatte.
Ich zog und zerrte. Das Kleid weigerte sich zunächst etwas, aber, ich sprach ihm gut zu und es war einsichtig. Mittlerweile waren die Kontinente auf meinem Gesicht verschwunden und ich grinste frech in den Spiegel. Mit ruinierten Haaren, aber, glücklich.
So, Schuhe, Jacke, Tasche, Ohrringe, wenn dann alles probieren und du blöder Frust, kannst dich verkrümeln. Dachte ich. Wieder einmal. Weil ich immer so denke. Eine hoffnungslose Optimistin eben.

Ich verließ die Kabine und wich erschrocken zurück. Da stand sie. Frau, Größe 36, mein Kleid, meine Schuhe und sah fantastisch aus. Ich dagegen kam mir auf einmal vor wie eine Wurst in der Pelle. Reingequetscht und frustriert. Er hatte mich eingeholt. Der Frust. Ein böser Strolch. Und sofort bekam ich einen pickeligen Ausschlag auf der rechten Wange. Dieses Mal war es wohl ein Kontinent Asiens. So sah er zumindest aus.
Dabei ging es nur um 3 cm. 3 mickrige, kleine, blöde Zentimeter. Mehr hätte es nicht gebraucht, um wirklich gut an mir auszusehen. Dann wäre das Kleid das Traumkleid gewesen. Das stellte sogar die Verkäuferin fest, die mich mit mitleidigem Blick musterte. Was mir eine heftige Schamesröte ins Gesicht trieb und mich aussehen ließ, wie ein Streichholz kurz vor dem Verbrennen. Ich war frustriert und verärgert. Irgendjemand aus der Modebranche hatte wohl vergessen, dass man mit einigen Zentimetern Stoff mehr eine Frau wirklich glücklich machen kann!
Wann war das passiert? Wann brach bei den Designern der Stoffsparwahn aus? Ich war entsetzt. Früher hatte eine Frau von meinem Format eine Größe 42, sah sexy, begehrenswert und stylish aus. Und heute? Heute müssen wir uns, wenn wir nicht wirklich ständig kneifende und beißende Kleidungsstücke tragen möchten, in zeltähnliche Umhänge aus der Trullaboutique hüllen. Die sind langweilig, unmodern, haben ständig Gummizüge und machen die Frau mit diversen, kleinen, versteckten Röllchen auch noch unförmiger als sie eigentlich ist. Der Look entspricht, sobald man sich in solche Zelte hüllt, dem eines gut gefüllten Michelinmännchens.
Ich stand da. Mein Kleid passte. Aber, eben nur gerade so. Eben nur ein Bisschen. Um meine Hüften zogen sich kleine, unvorteilhafte Falten, die mir nicht erlauben würden, nur einen Schluck zu trinken oder einen Bissen zu essen. Und das ging so gar nicht. Kurzfristig überlegte ich sogar, mich in ein scheußliches, hautfarbenes Miederhöschen mit extra Verstärkung an Bauch und Hüften zu quetschen, um die vergessenen Stoffzentimeter so auszugleichen. Aber, wenn ich das tat, würde ich Probleme mit der Atmung bekommen und aus den wirklich schönen Schuhen kippen. Und das wollte ich nun auch nicht wirklich.
War es Zeit, sich in den Läden umzusehen, die ich sonst mied? Wirklich ein Zelt aus dem Trullaladen? Unförmig, farblich absolut daneben und wehend und kaftanartig? Nein. Ich wollte kein Zweimannzelt mit unmöglichem Muster und fader Farbe, ich wollte ein Kleid. Ein richtiges Kleid.
Aber, was sollte ich tun? Ich erkundigte mich bei einer Verkäuferin vom Format Spargelstange, ob es denn noch größer erhältlich wäre. Das Kleid. Nein, das wäre sowieso die Ausnahme des Jahres, dass der Designer es bis 46 hergestellt hätte und es würde für eine 46 ja auch riesig ausfallen. Riesig. Aha.
Frustriert sah ich an mir herab. Meine Haare waren ein Chaos, das Kleid umwehte mich nicht wie eine leichte Sommerbrise, sondern wärmte mich wie im Winter.
Ich sah also an mir herab, an meiner Figur, die ich eigentlich mag und auf die ich auch stolz bin. Und die ich gar nicht so schlimm finde.
Aber, so ging es nun gar nicht. Das Kleid wollte nicht passen, wärmte, ich hatte mittlerweile Ausschlag im hochroten Gesicht und erntete einen mitleidigen Blick von einer Dame in 34, die wohl, wie ich mir schnell vorstellte, unter der Dusche hin und herlaufen würde, um nass zu werden.
Gut, im Vergleich zu der Lady, die so schmal, und platt und mit faltigem, gut gegerbten Gesicht vor mir stand, sah ich unförmig aus, aber, hey, ich habe wenigstens ein glattes Gesicht, das immer um 10 Jahre jünger geschätzt wird, als ich eigentlich bin. Und, wer braucht dann noch einen Konkurrenzkampf? Ich nicht. Und trotzdem war ich frustriert. Weil wieder ein Hersteller mehr auf dem Markt ist, der nicht verstanden hat, dass es auch Kundinnen gibt, die eindeutig jenseits der 42 Einkaufen gehen.
Ich fragte mich, wieso die Designer uns Frauen mit den großen Größen einfach so vergessen konnten. Wieso man uns Klamotten aufnötigt, die keinesfalls unserem Geschmack oder unserem Empfinden entsprechen. Wieso sollte man keinen Busen zeigen dürfen, oder wohlgeformte Hüften? Warum muss Frau einen Bauch haben der nicht existiert? Es soll ja auch Frauen geben, die trotz Sport wenig Chancen auf ein Waschbrett haben. Oder, wieso dürfen wir nicht wohlgeformte Beine haben, anstatt Storchenbeinen? Und wieso darf Frau nicht Kurven haben, die einer Frau gebühren? Wieso hat eine Frau vorne und hinten flach zu sein? Es soll Männer geben, die genau solche Damen überhaupt nicht mögen. Die Wert darauf legen, eine Frau anfassen zu können, ohne sich zu verletzen.
Ich zog den Chiffontraum aus. Hinterließ ein gewaltiges Paket Frust in der Parzelle die mir nun vorkam wie eine zu klein geratene Gefängniszelle.
Ich war gefangen in der Welt der Frau unter Größe 38.
Und es war und ist eine falsche Welt. Ich vergaß den Traum vom schönen Kleid und war traurig. Nicht mal mehr die Schuhe wollte ich.
Und ich verfluchte den Tag, an dem die androgynen, knabenhaften und farblosen Frauen anfingen, Erfolge zu feiern. Der Tag, an dem die Modemacher erkannten, dass es noch billigere Varianten gibt, ein Kleid her zu stellen. Nämlich die, Stoff zu sparen und Frauen mit Rundungen völlig zu vergessen. Das erhöht die Gewinne doch erheblich.
Aber, es diskriminiert uns. Frauen, die mit einigen Pfunden mehr wuchern können als andere, sind ausgeschlossen worden aus der Welt der Mode. Sie wurden dazu verurteilt, langweilige, konservative und altbackene Outfits zu tragen und auf Jeans und Shirt auszuweichen, weil eben nicht mehr da war und ist.
Wir sitzen in einer Welt voller schillernder Klamotten, trendiger Styles und aufwendiger Kreationen und bekommen nur einen kleinen Teil davon. Und um den müssen wir kämpfen. Leider.
Mittlerweile hat wohl der ein oder andere Kleiderhersteller begriffen, dass es noch ein verstecktes, aber mächtiges Potential gibt. Dass auch jenseits der Größe 40 kaufkräftige Damen jeden Alters leben, die nach Mode schreien und nach frischen Farben hungern. Und, diese Hersteller haben begonnen, auch für diese Größen schicke Teile her zu stellen, die uns schöner machen. Die passen. Die gut aussehen und uns schöner machen. Aber, es sind immer noch zu wenige.
Und, ja, unsere tollen Luxuslabels, die, die weltbekannt sind und richtig hoch bezahlte Modelle auf den Laufsteg schicken, die haben immer noch nicht verstanden, dass es eben auch ein Leben nach der 40 gibt.

Deshalb ein Aufruf an alle Modehersteller!
Verbessern Sie nicht unsere Laune, indem Sie uns erlauben, aus unseren wallenden und wogenden Zeltoutfits heraus und in neue, die Figur neu formende, stylishe und hippe Teile Ihrer Marke zu springen.
Das könnten wir nicht ertragen. Lieber schmeißen wir auch weiterhin unser sauer verdientes Geld für langweilige Kombinationen in faden Farben und mit garantiertem Altmachfaktor aus dem Fenster. Ensembles, die wir dann missmutig tragen und mit sauertöpfischen Gesichtszügen ausführen.

Erlauben Sie den Vollweibern auch weiterhin nicht, ihr Kaufpotential komplett auszuleben und modisch, schick und gut angezogen auszusehen. Wir lieben es, in einer Welt voller modischer Diktatur und voller Vorgaben diverser Modelabels zu leben und die Trends nur an storchbeinigen Hungerhaken zu besichtigen, aber, selbst nicht tragen zu können. Jeder schaut doch lieber gerne zu, als selber im Blickpunkt zu stehen.
Das ist es doch, was wir Ladys, die eben in der Welt ab Größe 42 leben, unbedingt brauchen.

Oder ?