Heute ist Nikolaus und der zieht wiederum mit dem fiesen Krampus um die Häuser. Sagt man. Kindern und überhaupt.
Wie ich es seit meiner Kindheit mit dem Krampus halte, das gibts heute zu lesen!
„Wenn du nicht brav bist, dann
sag ich das dem Nikolaus und der schickt dir den Krampus ins Haus!“
Immer diese Drohung. Sie kam
jedes Jahr. Einen Tag vor dem Nikolaustag. Und ich war immer noch da.
Genervt schlurfte ich in mein
Zimmer. Der erste Schnee war gefallen und es war eine stille Nacht, wie sie im
Buche steht. Ich lag im Bett und dachte über den 6. Dezember nach. Eigentlich
freute ich mich jedes Jahr darauf, denn der heilige Mann war ein Vorbote des
Christkindes und verkürzte die Wartezeit auf den 24. Dezember.
Dass das Christkind lebte, war
meine feste Überzeugung. In meinem dicken Weihnachtsbuch war ein Bild und für
mich war diese Sache völlig logisch. Wie sonst sollten die ganzen Geschenke,
die ich per Wunschzettel schon vor Wochen ans Christkind gesandt hatte, ins
Haus kommen?
Beim Nikolaus war das anders. Ob
ich diesem alten Herrn doch glauben sollte?
Ich war äußerst lebendig und
kreativ und ständig in Bewegung. Manchmal tappte ich verträumt durch das Leben
nur um wenig später meine Familie mit dem zu überraschen, was ich entdeckt
hatte. Meine Neugierde auf die Welt war groß und blicke ich heute zurück, muss
ich feststellen, dass ich von Zeit zu Zeit wohl ein ziemlich anstrengendes Kind
gewesen sein muss.
Ich grübelte, ob der heilige Mann
und sein polternder Begleiter, der Krampus, der alle unartigen Kinder angeblich
mitnahm, mich nun auch mitnehmen würden. Vor allem, wohin?
Am nächsten Morgen war ich keinen
Schritt weiter. Der Tag verging und am Nachmittag ging ich wieder hinaus in den
Schnee, doch diesmal war ich pünktlich zurück. Ich hatte doch ein wenig Angst
vor dem Jutesack des Krampus.
Jedoch nagte der Zweifel in mir.
Im Kindergarten hatte ich meiner Freundin von der Drohung meiner Mutter erzählt
und ein „Was willst du? Der Nikolaus ist bei uns immer ein Student oder mein
Onkel. Mein großer Bruder hat mir das erzählt und der muss das wissen, der ist
schon 14!“
War das mit dem Nikolaus wirklich
nur eine Geschichte, die man Kindern erzählte, um ihnen ein wenig Respekt
einzuflößen?
Es wurde langsam dunkel, die
Dämmerung schlich übers Land, die Kerze auf dem Adventskranz brannte, es war
gemütlich in der Bauernstube meiner Eltern.
Plätzchen dufteten nach Zimt und
Vanille, Tannenzweige verströmten ihr Aroma und aus dem Radio klangen, wie
jeden Abend im Advent, Zithermusik und Weihnachtslieder.
Es war friedlich, bis auf meine
Mutter, die hektisch immer wieder aus dem Zimmer ging. Sie wirkte nervös.
„Mama, was ist los?“ „Lass mich in Ruhe, räum auf und dann geht’s ins Bett!“
Ich wunderte mich. Kein Nikolaus? Doch ein wenig erleichtert begann ich, meine Spielsachen aufzuräumen.
Als ich gerade einen letzten
Stift in seine Schachtel legte, rasselte es bedrohlich an der Türe. Ich
schreckte hoch, mein Herz schlug bis zum Hals und ich verkroch mich in die
hinterste Ecke der Eckbank, bewaffnete mich mit meiner Plastikschere und meinem
Klebestift und merkte nicht, dass mein Vater hinter seiner Zeitung leise
schmunzelte. Etwas, das er mir erst später erzählte, wobei er zugab, dass ihm
dieses Schmunzeln wenige Momente später verging.
„Hoho, wo ist das Künde?“ Eine
dumpfe Stimme grölte durch die Wohnung. Dann stand er: Krampus. Ohne Nikolaus. Ich
schluckte. Wenn der allein kam, war das kein gutes Zeichen.
Ich betrachtete verstohlen den
gruseligen Herrn.
„Oh du freches Früchtchen!“, dröhnte er mit einem schwarz
verschmierten Gesicht und deutete mit seiner Rute wild auf mich.
„Ich?“, fragte
ich zögernd und kam aus meiner Ecke und überlegte, woher ich diese Stimme
kannte. Wenn das, was mir meine Freundin gesagt hatte, stimmte, würde ich doch
den Herrn vor mir wiedererkennen. Oder?
Der komische Nikolaus trug dicke
Gummistiefel, seine Hose sah nach einer Jeans aus. Die Handschuhe waren solche,
die mein Vater immer benutzte und der Hut gehörte eindeutig meinem Onkel Elmar,
er hatte einen Riss in der Krempe.
Die Jacke beeindruckte mich besonders. Sie
war irgendwie dem ähnlich, was meine Mutter im Winter immer trug. Ihre
Pelzjacke.
Aber wo war der Pelz? Diese Jacke schillerte und nur wenig Pelz
schaute an den Rändern hervor.
Der Sack? Den erkannte ich. Es
war unser Kartoffelsack, er hatte einen roten Farbklecks am Rand. Er hatte
meinem Vater einmal als Unterlage gedient, als er sein Auto mit rotem Lackstift
ausgebessert hatte.
Der Mann zückte ein Notizbuch. Es
war ein Kalender von der Raiffeisenkasse. Meine Mutter hatte den auch. Brachte
der Krampus sein Sparschwein am Weltspartag auch zur Raiffeisenkasse, wenn Sumsi
die Sparbiene im Schalter saß?
Ich ließ die Strafpredigt über
mich ergehen, sagte mein Gedicht für den Nikolaus auf und versprach, ein braves
Kind zu sein.
Dann bekam ich, wie jedes Jahr
meinen Sack. Rot, mit goldenem Band und einem Flicken auf der rechten Seite,
der ein Loch verdeckte, das eine Kerze vor zwei Jahren hineingeschmort hatte.
„Auf Wüdersehen du Rotznase“,
dröhnte der Krampus, drohte mit der Rute, rasselte mit einer alten Kette und
ging.
Minuten später dachte ich
angestrengt darüber nach, woher ich diesen Krampus, der ja angeblich vom Himmel
kam, kannte.
Als ich etwas aus meinem Zimmer holen wollte, um es meinem Vater
zu zeigen, musste ich an der Garderobe vorbei, wo mir ein glänzender Stoff ins
Auge fiel. Ich ging vorsichtig näher.
Sekunden später durchfuhr es mich: Es war
die Jacke vom Krampus!
Neugierig zupfte ich an dem Stück
und roch daran. Das Aroma des blumigen Duftes meiner Mutter stieg mir in die
Nase. Schlug man die Jacke auf, war sie eindeutig ihre Jacke.
Dann war mir alles klar. Dieser
Krampus war nicht echt.
Zurück im Zimmer meinte meine
Mutter: „Na der Krampus war aber ganz schön streng mit dir was? Fast hätte er
dich mitgenommen!“
Ich grinste, denn ich war mir
sicher: „Na ja, der Onkel Elmar kann mich ja mitnehmen! Im nächsten Jahr!“
Copyright by Birgit Bauer, 2011