09 April 2018

Über das andere Leben und den Einfluss von diversen Posts .......

Das Erste, was ich vor über 13 Jahren gelernt habe, was das Bloggen betrifft: Jeder Post, jedes Bild und jeder Kommentar, den ich ins Web sende, hat eine Wirkung. Es werden Emotionen geweckt, Gedanken und Meinungen gefördert und natürlich auch Diskussionen auf den Plan gerufen. So gesehen: Damals habe ich das mit einer gewissen Klarheit zu spüren bekommen. Nett war anders, zugegeben, ich dachte damals auch "Wer wird denn das schon lesen?". Dass ich mich damals gründlich geirrt habe, muss ich zugeben, aber ich habe gelernt, vor dem Posten zu denken. Heute bin ich mir sehr bewusst darüber, welchen Einfluss ich habe.


Und das tun wir doch. Täglich Einfluss nehmen, wenn wir etwas veröffentlichen.

Egal ob es sich, wie hier, um einen Blogpost handelt, einen Eintrag auf Facebook, einen Tweet oder ein superlässiges Bild oder Video auf Instagram. Alle diese Veröffentlichungen tun quasi etwas mit dem Nutzer, der sie sieht. Manchmal tun diese Dinge etwas für Nutzer, aber ab und an auch dagegen. Inhalte ändern vielleicht das Verhalten, die Meinung. Nicht selten eine Entscheidung.  Weil der oder die, die da posten es ja auch so tun.

Nur ob das dann immer so in das Leben der anderen passt, ist offen.
Klar ist eins: mit jedem veröffentlichen Text, Bild oder Statement, übernehmen wir alle Verantwortung. Und Einfluss. Auf andere.

Das wurde in unzähligen Studien schon bewiesen. Egal ob es um das Kaufverhalten geht, eine Wahlstimme, eine Meinung, ein Post kann ab und an viel bewegen. Oft zum Guten aber genauso ins Gegenteil.

Dennoch sind wir uns der Verantwortung, die wir mit dem Posten von Informationen übernehmen, scheinbar oft nicht bewusst. Das, was wir für total toll halten, empfinden andere ganz anders. Das was bei uns klappt, muss nicht bei allen anderen auch so klappen und kann schief gehen. Beispiel gefällig?

Ich blogge seit über 11 Jahren über mein Leben mit MS und bewege mich als "Patientenvertreter" auch in Patientenkreisen. Oft genug habe ich gesehen, wie in Blogs oder auf Facebook oder auch Twitter Empfehlungen abgegeben wurden, weil es ja bei dem einen Menschen mit einer Erkrankung super klappt. Die Folge? Ist absehbar: Krank zu sein heißt mit der Hoffnung zu leben. Das wiederum heißt auch, dass man schon mal bereit ist, etwas Neues zu testen. Könnte ja klappen. Wer weiß.

Viele andere Betroffene haben sich so oft unbewußt zur Spokesperson - also zum Sprecher einer Marke, einer Therapie etc. - gemacht. Ich verstehe die Begeisterung, wenn etwas klappt, ist das klasse. Das muss man mitteilen.
Aber die Frage ist doch, wenn es bei mir klappt, wie klappt das bei anderen? Die haben eine andere Lebenssituation, einen anderen Körper, andere organische Symptome oder Merkmale, wer weiß. Viele Faktoren, die wir nach dem Post nicht kennen, weil wir die Leser nicht kennen, können wiederum Einfluss nehmen. Sind wir uns dessen bewusst?

Oder sind wir uns bewusst, was wir mit Kinderbildern anrichten? Ich weiß, wir haben es bereits rauf und runter diskutiert, erwähnt, dass auch Kinder ein Persönlichkeitsrecht haben und vielleicht nicht mit dem "Nackedei an Sandburgfoto" einverstanden wären, wenn dieses auf Facebook auftaucht.

Übrigens, das mit dem Klappen kann alle Lebensbereiche betreffen, sei es Lifestyle, Erziehung, Bildung und vieles mehr. Oft posten wir aus Jux und haben Spaß. Weil halt gar so schön ist. Oder eben, weil wir begeistert sind. Uns freuen. Das sei allen vergönnt. Aber ich glaube auch, dass wir bei Dingen, die wir tun, weil sie für uns gerade super passen, weil die Situation stimmt und wenig Gefahr droht, darauf achten müssen, dass es eben in einem anderen Leben ganz anders sein kann.


In dem Moment ist da die Verantwortung, die ab und an im Hinterkopf einen kleinen Alarm auslösen sollte. Ein kleiner Ton, der uns warnt, der sagt, für dich super, für andere vielleicht sauschlecht. Sei es in Sachen Patientenempfehlung, bei der Veröffentlichung von Vergnügen und lustigen Schnappschüssen mit dem, was wir mit Kindern erleben und vielen anderen Dingen mehr.

Wenn ich so manchen Post sehe, denke ich mir oft, ob der Verfasser sich immer im Klaren darüber ist, was er da tut. Was die Veröffentlichung auslöst. Es geht mir hier nicht um die gesetzliche Verantwortung. Es geht um die moralische und ab und an auch ethische Verantwortung. Das müssen wir bedenken, sobald wir etwas publizieren. Jedes Leben ist unterschiedlich. Das was für uns passt, muss für andere noch lange nicht perfekt und gut sein, sondern kann ins Gegenteil kippen.

Vor einigen Tagen hat man mich für diese Meinung als hart bezeichnet. Gut, mag sein, aber als eine von denen, die täglich das Geschehen im Netz beobachtet und oft die Folgen in anonymen Emailanfragen hinter den Kulissen mitbekommt, kenne ich diese Fragestellung zu gut. Nicht selten bin ich ein Auffangbecken für die, die aufgrund solcher sicher wohlmeinenden Empfehlungen, einen Rat erbitten. Und das ist auch nicht so einfach.

Der Satz: "ich mach was ich will" kam in einer der Diskussionen vor. Ja klar, ich auch, aber ganz ehrlich, muss ich wirklich alles posten und jedes Ding veröffentlichen? Oder reicht es nicht ab und an, sich im Stillen zu freuen? Könnte es nicht sein, dass es ab und an nicht sinnvoller ist, einfach einmal nicht auf "Veröffentlichen" zu klicken und so dem einen oder anderen eine Enttäuschung, eine gefährliche Situation oder Ärger zu ersparen. Sicher, retten kann man sie nicht alle, aber verantwortungsvoller Umgang mit den sozialen Netzwerken kann nicht schaden oder? Wer weiß, wann es nicht einem selbst hilft, wenn einer kurz innehält.

In diesem Sinne,
Birgit


Bilder: Pixabay.com
Text: Birgit Bauer