18 September 2018

Über Influencer, Healthcare und gekaufte Freunde!

Neulich bekam ich eine Einladung, mich in einem Influencernetzwerk zu registrieren. Ich wäre ein MS Influencer und man wäre sehr interessiert an einer Kooperation. Ich müsse mich auch nur registrieren. 

Neugierig wie ich bin, habe ich das getan. Ich wollte wissen, was hinter diesem Portal steckt und erfuhr, dass ohne große Zahlen da gar nichts geht. Follower, Freunde wollte der Automat am anderen Ende.

So gesehen, ich mag Zahlen, sie sagen etwas, aber eben nur einen Teil. Sie sagen nichts über Qualität eines Netzwerkes, Ausrichtung oder Authentizität aus. Aber je höher, so scheint es, desto besser. Qualität scheint erst einmal überbewertet.

Ich trug frecherweise auch meinen privaten Instaaccount ein und scheiterte grandios. So wie ich es vorher gesehen hatte. Mein Netzwerk dort ist nicht so riesig, aber gepflegt und voller spannender Menschen. Etwas, das ich persönlich wichtiger finde, gerade, wenn es um private Accounts geht.

Von anderer Seite kam sofort die grandiose Empfehlung, mir doch einige Follower zu kaufen. Eigentlich hatte ich gedacht, das hätten wir hinter uns. Gerade im Bereich "Healthcare" in dem ich mich bewege, hatte ich - naiverweise - angenommen, wir hätten uns darauf geeinigt, etwas klarer zu bleiben, weniger auf Zahlen fixiert, mehr auf den Menschen orientiert. Wo wir doch immer vollmundig über Patient Journey und Patient Centricity sprechen und diese verfolgen wollen. Allerdings frage ich mich gerade wie. Mit Zahlen?

Eine Recherche ergab: Follower kaufen ist nach wie vor kein Thema. Für knapp 25 Flocken oder weniger bekommt man mal eben 10000 Klicks auf dem Account. Ein anderes Schnäppchen bot mir 1000 Instafollower für 8,99 Euro an. Das Investment für den Eintritt ins fabulöse Netzwerk wäre also überschaubar. Der Automat wäre schnell überlistet.

Zugeben, es hat schon was, wenn die Zahl der Follower so richtig hoch ist. Wir wissen, Follower sind der Gradmesser für den Erfolg eines Netzwerkes. Allerdings, aktiv sollten sie auch sein. Sind 10000 schweigende Einmalklicks nur um der Zahl willen wirklich wertvoll? Oder geht es nicht etwa doch um Aktivität, um Qualität und natürlich um Interaktion?

Gut, hätte ich die ca. 1000 Accounts, die ich auf Insta blockiert habe, weil es sich nur um die Anmache vermeintlicher Superkerle handelt, freigeschaltet, hätte mich der Automat auch aufgenommen und meinen Account akzeptiert. Weil ja die Zahl stimmt. Die Frage ist dann, brauche ich das? 1000 schleimige Kerle die versuchen, sich an meinen Rockzipfel zu hängen?

Gerade im Bereich Influencer in Healthcare geht es um mehr. Da reden wir über Menschen. Über Erfahrungsaustauch, über gegenseitige Unterstützung und den Dialog. Den kann man nicht unbedingt immer mit Followerzahlen messen, man müsste genauer auf die Accounts schauen. Darauf, was dort passiert. Auf die berühmte Interaktion.

Meine Community ist lebendig, authentisch und ehrlich. Menschen, die mit chronischen Erkrankungen über das reden, was bewegt. Auch mich, die mit MS lebt. Diese Menschen (viele bezeichnen uns als Patienten) erzählen, berichten und helfen mit, zu verstehen, was wirklich wichtig ist. Sie interagieren und diskutieren über Themen. Alle sind sie individuell, bunt und jeder ist auf seinem eigenen Trip. Und von jedem einzelnen, der da ist, kann lernen. Mal so von wegen Patient Journey. Nä?

Man könnte lernen, Gesundheitssysteme oder Patientenprogramme besser zu gestalten, wenn man diese Welt versteht. Eine Welt, die nicht von Zahlen lebt, sondern von Werten, von Authentizität und von Integrität. Diese Gemeinschaft lebt vom Dialog und vom Austausch. Vom Teilen wertvoller Informationen. Klar achtet da ein Automat nicht drauf, keiner hat es ihm ins Programm geschrieben. Klar ist doch aber, dass dieser Austausch das ist, was die Welt verändern kann. Mehr als zehntausen falsche und gekaufte Freunde, die irgendwann, wenn das Abo ausläuft, einfach so von der Bildfläche verschwinden und einen Account als kleinen Account zurücklassen. Spätestens dann holt das Computerkarma einen wieder ein ....

Dazu kommt, dass sich eine Community ohnehin nicht mehr von gekauften Zahlen hinters Licht führen lässt. Nutzer erkennen gekaufte Follower. Und? Wenden sich ab. Das Vertrauen in diese Accounts geht verloren.



Man muss sich also überlegen, was man wirklich braucht. Natürlich braucht man Follower. Keine Frage. Aber stille und passive Roboteraccounts? Braucht keiner. Besonders wenn es um "gesundhe Themen" geht. Oder irre ich?

Gerade wenn es darum geht, mit uns Menschen, die mit Erkrankungen leben, ins Gespräch zu kommen, braucht es keine Portale, es braucht das Gespräch. Schließlich sind wir keine Automaten. Sondern sehr lebendige Individuen, die ihre Reiseroute kennen. Und da frage ich mich: Kennt die andere Seite diese Reiseroute auch?

Lebendige Grüße aus der Manufaktur
Birgit
Reiseleiterin

Bilder: pixabay.com
Text: Birgit Bauer für Manufaktur für Antworten UG