21 Mai 2019

Von Ratschkathln beim Arzt. Ich hab die Faxen dicke! #faxendicke

Neulich beim Arzt. Ich brauche ein Rezept und lehne gemütlich am Tresen. Ich warte. Weil besonders viel los ist. Auf dem Tresen, oder besser gesagt, dem Tisch darunter, jede Menge Papier. Faxe. Frisch aus dem Gerät. Die Papiere warten darauf, sortiert und den entsprechenden Patientenakten zugeordnet zu werden.

In der Zwischenzeit liegen sie da, nicht selten frei lesbar für jeden. Was ich an diesem Tag erfahren habe, bleibt mein Geheimnis. Ich weiß, wie man Daten schützt. Das kann ein Fax nicht. Ein Fax ist ein bisschen wie ein bayerisches Ratschkathl. Es plaudert gerne über das, was es weiß. Macht Daten für andere leicht les- und sichtbar. Und sorgt dafür, dass die Gerüchteküche genügend im Topf hat. Ob das richtig ist, ist jetzt die Frage.

Man hätte ja meinen können, dass die Sache mit dem Fax in Zeiten von Digitalisierung, eHealth und künstlicher Intelligenz beendet sein könnte. Ich hätte nie geglaubt, diesen Artikel jetzt schreiben zu müssen, wo wir über digitale Patientenakten sprechen und sie eindeutig einfordern, aber das Fax ist ein Dinosaurier, der nicht auszusterben scheint. Und deshalb müssen wir drüber reden. Ich hab die #faxendicke!

Schaut man sich so ein Gerät mal näher an, ehrlich gesagt, ich musste dazu erst einmal einen Menschen finden, der noch ein Fax hat, wir haben das in unserem Büro hier schon lange abgeschafft, kann ich eines sagen, es ist ein Gerät, das früher sicherlich Sinn machte.
Aber heute?
In Zeiten, in denen es genügend technische Lösungen gibt, die es ermöglichen, sensible Daten, wie Gesundheitsdaten, verschlüsselt an andere zu übermitteln, sollte ein Fax Geschichte sein.
Besonders in Arztpraxen. Hier ist die Dichte an besonders sensiblen Daten extrem hoch. Die der Faxe übrigens auch. Es ist nicht unbedingt hilfreich, wenn man mit Erkrankungen lebt, von denen nicht unbedingt jeder wissen muss. Ich lebe mit MS (Multiple Sklerose). Und als ich zum ersten Mal aus der Gerüchteküche über meine Erkrankung hörte, ging ich dem nach und bekam heraus, dass jemand zufällig einen Befund von mir gelesen hatte. Raten Sie mal wie und wo?

Das ist eine ganze Weile her, aber ich gehe davon aus, dass dem bis heute so sein kann. Bis heute sehe ich in diversen Arztpraxen immer wieder die Ausdrucke da liegen und höre den Satz "Wir faxen die Befunde gleich durch!"



Rund 80% der Ärzte versenden bis heute Daten per Fax. Das sagt auch eine Umfrage der Fachverlagsgruppe Springer Medizin der CompuGroup Medical (CGM) aus. Wie ich zu dieser Umfrage kam? Die Initiative Faxendicke hat mich darauf aufmerksam gemacht und ja, ich habe auch die Faxen dicke. https://faxendicke.org 

Die Initiative zeigt deutlich auf, welche Sicherheitsmängel bei einem Fax vorliegen. Allein, dass ich immer wieder die Faxe offen liegen sehe, finde ich bedenklich, aber es geht noch weiter. Technisch gesehen können Faxgeräte über eine Fernwartung bedient werden. Die darauf gespeicherten Daten sind also für andere sichtbar. Die Übertragung der Daten erfolgt unverschlüsselt.

In Zeiten, in denen wir über Datenschutz diskutieren, umfangreiche Datenschutzerklärungen unterschreiben ( und uns darüber beklagen) und über Datensicherheit reden widerspricht sich das dann aber schon oder? Kurz gesagt, ich habe die Faxen dicke. Deshalb unterstütze ich die Initiative auch. Weil ich nicht möchte, dass jeder meine Daten lesen kann. Sie gehen andere schlicht nichts an. Für mich spricht dieser Umgang mit Daten auch gegen jede ärztliche Schweigepflicht. Weil ein Fax sie untergräbt. Auslöscht und mich so zum offenen Akt für wen auch immer werden lässt.

Ich sehe das auch aus der Sicht eines Patient Advocates. Patientendaten müssen geschützt werden, gelangen sie in die Hände von anderen, vielleicht wenig wohlmeinenden Menschen, kann eine Diagnose oder das Outing einer Diagnose, zum herben Schlag für die Betroffenen werden. Weil sie vielleicht noch einen Moment selbst klar kommen wollten, weil sie aus Gründen des Selbstschutzes nicht über ihre Erkrankung reden möchten. Aus Angst Job, Existenz oder Menschen zu verlieren.

Das Fax hat ausgedient. Echte jetzt. Genügend Lösungen gibt es. Ich kann Ärzte schon verstehen, das ist ein extra Aufwand, es braucht neue Technik, Schulung und mehr. Aber die Digitalisierung schreitet voran und ist so gesehen auch nicht aufzuhalten.
Und es ist nicht auch positiv für die Arzt - Patientenbeziehung, wenn man sich nicht sicher sein kann, dass die eigenen Daten nicht als Papierstapel irgendwo landen und in Zwischenspeichern von Faxgeräten gelagert für andere einsehbar sind.

Erkrankungen ist eine Patienten - Arzt Sache und nicht die von technischen, wie menschlichen Plaudertaschen. Und gut ist, dass jetzt darüber nachgedacht wird, die Vergütung für Faxe einzustellen. Ein erster guter Schritt. Weiter so!

Übrigens, eine Aufstellung der Alternativen zum Fax können Sie auch auf der Website der Initiative #Faxendicke nachlesen. https://faxendicke.org

Nachdenkliche Grüße

Birgit




Bilder: Initiative Faxen dicke / Pixabay.com
Text: Birgit Bauer für Manufaktur für Antworten UG