31 Juli 2023

Das mit dem X ... oder was nach dem blauen Vogel und dem Urlaub alles anders ist ...

Es ist Montag. Ich bin gerade aufgewacht und stehe in meinem Büro, das ich drei Wochen nicht betreten habe. Ich war in Urlaub. In diesem Raum war die letzten drei Wochen eigentlich nur eines interessant. Mein Vorrat an der speziellen, sehr guten, teuren Wolle, die hier in einer speziellen Schublade lagert. Ich besuche sie regelmäßig. Es beruhigt mich. Auch in diesem Moment, in dem ich weiß, es geht in die zweite Jahreshälfte und die ist jetzt bis Dezember schon gut gefüllt. Spannend aber auch anstrengend. Anyway, das ist Thema von morgen. Wenn ich offiziell wieder da bin. :-) 


Zurück zum Montag. Ich sehe mich um, denke an die Emails, die es heute zu beantworten gilt. Ich denke an den Berg Arbeit, der vor mir liegt und daran, dass ich heute eigentlich noch frei habe, weil ich grundsätzlich immer erst am Dienstag nach dem Urlaub wieder ins Büro komme. Der Montag ist der Aufräumtag, für langsames anfangen, Warmtippen, habt ihr gewusst, dass man das O auf der Tastatur vergessen kann, also wo es ist und dass das Tippen langsamer wird? Urlaub heißt vergessen. Deshalb ein Besuch am Montag. 

Ich sitze mal zur Probe und gehe wieder. Eigentlich will ich nicht. Daher erst mal Kaffee und Twittern. Und da passiert es. Ich schmeiße mein Handy und die Kaffeemaschine an. Schnappe mir noch im Vorbeigehen die tägliche Dosis Schreibfehlersuche, nennt sich Tageszeitung und will Twitter öffnen. Ich suche den blauen Vogel und finde? 

Das lange angekündigte X. Das, was andere die letzten Wochen rauf und runter diskutieren ist jetzt auch hier angekommen. Schwarz und irgendwie fies sieht es aus und dort, wo mich freundlich der blaue Twittervogel angelacht hat, ist dieses fiese schwarz untermalte X, das ich extrem unsympathisch finde. 

Meine Laune sinkt in diesem Moment erst mal extrem nach unten. Es hat mich eingeholt. Während ich im Urlaub dem Vögelchen ab und an Aufmerksamkeit schenkte, prangt da ein bedrohlich wirkendes X. Und ja an dieser Stelle verkneife ich mir den fiesen Kommentar über diese Veränderung. 

Es ist seltsam, aber kann ich es verhindern? Nö. Dass ich es nicht mag, dass ich die Entwicklung des einst so wirklich geliebten Netzwerkes nicht mag, kann ich auch nicht abstreiten. Hier geht es mir nicht um die Menschen, die mir folgen oder denen ich folge. Es geht mir um die teilweise seltsamen Veränderungen, die der neue Eigentümer so veranlasst und veranlasst hat. 

Das bringt mich in ein Dilemma. Viele sind schon weg, weitere haben angekündigt zu folgen. Andere verweilen, weil es dennoch ein Kanal bleibt, der für viele wichtig ist. In meiner Community sind viele Menschen mit Erkrankungen, die hier wichtige Informationen sammeln und posten, teilen, was wichtig für andere sein könnte. Lebt man mit einer chronischen Erkrankung sind diese Informationen oft wichtig. Für Entscheidungen, für nächste Schritte. Deshalb sind sie da. Und manche haben mich gefragt, was jetzt zu tun ist. Schwierige Frage. 

Es ist zu einfach mal lässig zu sagen, sollen sie mir woanders folgen. Weil manche von diesen Menschen das nicht können, weil es sie überfordert, weil sie über Jahre auf Twitter, sorry dem X Netzwerk, die Informationen bekamen, die ihnen wichtig waren und auch aus Ressourcengründen nicht in der Lage sind, sich durch mehrere Netzwerke zu arbeiten. 

Weil sie krank sind und ihre Kraft und Energie daher limitiert sind. 

Weil ihnen zwischen Leben mit Erkrankung und Arztbesuchen und dem eigenen Leben nicht die Zeit bleibt, sich durch ichweißnichtwieviele Portale zu arbeiten, um das zu finden, was wichtig ist. 

Ich verstehe das, manchmal geht es mir selbst so. Leben mit einer chronischen Erkrankung erfordert oft eine Planänderung, effizientes Handeln mit der eigenen Energie und Zeit. Weil krank sein ein großes Zeitinvestment erfordert und daher eine andere Priorisierung der Dinge erfordert. Auch was Social Media betrifft. 

Ich habe lange überlegt, ob ich jetzt Herrn Musk und seiner sehr seltsamen Welt den Rücken kehre oder ob es mir möglich ist, zumindest ein Minimum an Informationen abzusetzen, um die zu unterstützen, die Wissen brauchen und suchen. Denen, die sich nicht so schnell umstellen können, weil sie kränker sind als ich und weil sie mir folgen und ich sie, auch in meiner Funktion als Patient Advocate betrachtet, nicht im Stich lasse. Zumindest nicht, bis ich weiß, dass sie woanders ein Plätzchen gefunden haben, wo sie die Informationen finden, die ihnen helfen. Mir ist sehr bewusst, dass ich nicht allen helfen kann oder sie mitnehmen kann in andere Netzwerke, aber wenn ich es für einige hinkriege, habe ich dennoch was geschafft. 

X ist nicht mehr das Netzwerk der ersten Stunde, das ist klar, hier gibt es mittlerweile zu viel verbrannte Erde, es sind Dinge passiert und Äußerungen gefallen, die nur wenig Beifall finden, weil viele von uns es nicht verstehen und / oder gut heißen. 

Twitter war  so etwas wie eine Social Media Heimat. Für mich und ich habe es geliebt. Vielleicht bin ich hier auch total beeinflusst, weil es mein Einstieg war. Es war nett da, gut, es gab da auch solche Menschen, die ich nicht leiden konnte und die mir bis heute nicht sympathisch sind, aber denen muss ich nicht folgen. Twitter war bunt, witzig, oft inspirierend, spannend oder auch emotional. Manchmal haben wir hart diskutiert und uns dann doch wieder vertragen. Und manchmal zerbrach auch etwas, was aber passiert. Es ist ja auch im normalen Leben so. 

Mit den neuen Einschränkungen und Bezahlmomenten hat man sich mit dem neuen X nichts Gutes getan. Davon bin ich überzeugt. Weil es ausschließt, von der Seite derer betrachtet, die mit Erkrankungen leben und oft genug schon mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Ich glaube, man hat es nicht fertig gedacht. Es wurden die vergessen, die eben nicht so schnell irgendwo anders hin können, weil ihnen Kraft, Netzwerk und vielleicht auch der Support und das Wissen fehlen. 

Das passiert, wenn Kommerz brutal zuschlägt. Ich gönne jedem, der Geld verdient den Gewinn, kein Thema, ich verdiene auch gerne Geld, weil ich mir dann ab und an eine Kleinigkeit für meine besondere Schublade leisten kann. ;-) Trotzdem, kann man bei all dem Gewinndenken auch menschlich bleiben und über all die nachdenken, die jetzt hinten bleiben, zurück- oder rausfallen. Zumindest kann man es versuchen und es gibt Unternehmen, die bereits jetzt für genau solche Fälle auch Modelle haben, die helfen, dennoch zu bleiben und teilzunehmen und sie verdienen trotzdem Geld.

Deshalb habe ich entschieden noch zu bleiben. Nicht wegen der seltsamen Unternehmensführung, sondern weil ich ein Netzwerk habe, in dem Menschen sind, für die es eben nicht so einfach ist zu wechseln. Und denen bleibe ich erst mal erhalten. Übrigens auch mit unserem Account von Data Saves Lives Deutschland, auch wenn er ein kleiner Account ist, wir bleiben erst mal. Wie lange? Keine Ahnung. 

Mir sind die Menschen wichtig, die dort sind und die Support brauchen. Und ich werde weiter auf beiden Kanälen interessante Informationen twittern, zu Gesundheitsdaten, Multiple Sklerose, Leben mit Erkrankungen generell und Gesundheitssystemen, ich werde von Veranstaltungen berichten, bei denen ich bin und werde beobachten was passiert und entscheiden was zu tun ist. Aber jetzt zu gehen? Ist im Moment noch kein Thema. 

Ihr findet mich also weiter hier: 

https://twitter.com/Birgitpower - mein eigener Account 

https://twitter.com/DSL_Deutschland - Data Saves Lives Deutschland 

In diesem Sinne, ich gehe noch ein wenig: Twittern! 

Birgit 


Text: Birgit Bauer für Manufaktur für Antworten UG 

Bilder: Pixabay.com