Man liest es ja schon lang. Viele Redaktionen hadern mit Social Media. Brauchts alles nicht. Hat mir ein Redakteur vor mehr als zwei Jahren gesagt, als ich das Thema vorsichtig über die Tischkante schob. Alles Schmarrn. Das hat bald ein Ende.
Nun gut, eine Aussage, die sich wohl selbst widerlegt hat. Weil irgendwann hat man kapiert, dass es ohne soziale Medien nicht mehr geht und dass auch der Journalismus da irgendwie mit muss. Bis heute ist es so eine Sache. Um am Ball zu bleiben, macht man mit. Fanpages werden angelegt, Twitteraccounts laufen auf einmal und man stellt eine Nachricht nach der anderen ins Profil. Das alles läuft ganz gut. Eigentlich.
Bis das passiert, was in den letzten Wochen immer heftiger wird. Hasskommentare, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit machen sich breit und auch vor den Fanpages der Medien nicht Halt. Klar, die Redaktionen müssen berichten, das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass die Redaktionen, wenn sie die Berichte auf den Fanpages verlinken, ein vernünftiges Community Management benötigen.
Und da ist das Problem. Häufig gibt es keinen, der sich um die Crowd auf den eigenen Seiten kümmert. Wenn überhaupt, dann aber bitte nur, wenn Zeit ist und zu den üblichen Bürozeiten von Montag bis Freitag. Könnte man meinen und eigentlich ist es ein Widerspruch, denn Nachrichten laufen auch am Wochenende. Wie Social Media eben auch. Da gibts keine Pausen.
Deshalb läuft auch die Berichterstattung weiter. Business as usual, denkt man, liest man die Schlagzeilen mancher Auftritte, die reißerisch und unsensibel denen Tür und Tor öffnen, die eben gerne Hasskommentare posten. Denen, die schlicht ein Problem mit der Flüchtlingsproblematik haben und dies auch lautstark von sich geben.
Und wenn eine fette Schlagzeile da ist, kann man ja durchaus noch eins draufsetzen. Nicht wahr?
Die Community kocht hoch, die einen hetzen gegen Ausländer, die anderen sind empört über die dummen Äußerungen, die garniert mit reichlich Schreibfehlern nur noch verachtenswert sind.
Moderiert wird nicht, ist ja Wochenende. Und da hat man frei. Community Management findet nicht statt und die Situation entgleist.
Die Reaktion der Redaktion? Erst mal keine. Vielleicht am Montag, wenn alle im Dienst sind und jemand Zeit hat. Dann wird gelöscht, gedroht und hingewiesen. Viel zu spät. Denn die Hasswelle ist schon über die reißerische Schlagzeile geschwappt und die Diskussion längst auf ein persönliches und sehr verletzendes Niveau reduziert.
Gutes Community Management gibt es nicht. Überflüssig? Zu teuer? Wer weiß. Ein Statement? Fehlanzeige. Guidelines für Nutzer werden, so könnte man vermuten, überbewertet, ein Team, das wirklich kommuniziert, moderiert und Grenzen setzt, kostet offenbar zu viel.
Wobei sich die Frage stellt, was teurer ist. Gutes Community Management, das dafür sorgt, dass die Reputation stimmt und ein gutes, wertvolles Publikum anzieht oder der Schaden, den der Hass in seiner schwarzen Gruselgestalt anrichtet, was zum Beispiel den guten Ruf betrifft und damit auch auf Verkaufs- und Kundenquoten negativ wirkt.
Social Media ist ein tolles Instrument, um zu informieren, keine Frage. Aber in Zeiten wie diesen ist gutes Community Management umso wichtiger. Es ist keine Kür mehr, einen klaren Kommunikationsplan zu haben, der auch Krisenfälle einbindet und mögliche Strategien anbietet. Es ist PFLICHT.
Genauso wie Guidelines für Nutzer, die klar und deutlich formuliert sind. Wer pöbelt, verachtend kommentiert und Menschenrechte verletzt, der muss konsequent in seine Schranken gewiesen werden. Übrigens, Angst vor solchen Aktionen braucht man eigentlich nicht zu haben, wenn man sich ein wirklich wertvolles Netzwerk aufgebaut hat, das unterstützend eingreift. By the way, nur Likes zu zählen, bringt es also auch nicht. Man muss im Gespräch bleiben, zuhören und sein Netzwerk kennen. Dass das Zeit und Geld kostet, ist klar, noch einmal die Frage: was ist teurer?
Sensible Themen müssen moderiert werden, egal ob Wochenende oder nicht. Und ganz ehrlich, ist es nötig, auf einer Fanpage ein Thema, das ohnehin polarisiert noch mit einer reißerischen Schlagzeile präsentieren?
Es war vor langer Zeit Zeit für die Medien, sich mit Social Media zu befassen. Viele haben ihre Hausaufgaben erledigt, bei einigen hapert es gewaltig. Und das ist eigentlich die Freifahrkarte für die, die Hasskommentare ablassen wollen.
Social Media ist kein Nebenbeigeschäft. Wer dort aktiv ist, muss dafür sorgen, dass die Accounts regelmäßig und professionell betreut werden. Mit Menschen, die zum einen Menschenkenntnis haben, gut kommunizieren können und wissen, wie Social Media geht.
Wer das jetzt nicht im Griff hat, erteilt Hatern einen Freifahrtschein und tut sich selbst auch nichts Gutes.
Aber was solls. Ist der Ruf erst ruiniert, hated der Hater ungeniert?
Oder ist es doch sinnvoll, den Gedanken weiterzuspinnen und überlegen, was für ein Eindruck entsteht, wenn man Kommentare nicht löscht oder erst 48 Stunden später reagiert, weil der Zuständige für die Fanpage grad mal im Wochenende war.
Es ist Zeit für Redaktionen aktiv zu werden, sich gegen die verachtenden und hasserfüllten Kommentare zu stellen und ein Zeichen zu setzen.
Nachdenklich .... Birgit Bauer