20 August 2020

#patientsinvolved - leere Floskel oder ... (ein Kommentar)

Neulich, es war in einem Business Netzwerk, war es wieder soweit. Eine neue Inititative ging erfolgreich an den Start. Es ging, wie so oft in diesen Zeiten, um digitale Gesundheitslösungen und Digitalisierung im Gesundheitswesen. 

Die Liste der Gründer und Teilnehmer war eine illustre Sammlung aller Expertinnen und Experten in dem Gebiet. Quasi die digitale Expertenbubble. Start-Ups, Forscher, Mediziner und derlei. 

Man freute sich über den rasanten Erfolg und feierte sich selbst. Weil das Digitalisierung voranbringen soll. Las ich. Und freute mich für einen Augenblick mit diesen Menschen. Weil es schön ist, wenn etwas erfolgreich verläuft. 

Das sich selbst feiern ist auch ok, das soll man auch wenn man etwas erreicht hat. Aber im selben Augenblick fand ich es bitter. Da war ein Fehler in der Gästeliste. Man hatte jemanden vergessen. Jemand, der durchaus interessiert wäre, die Digitalisierung mitzugestalten oder wenigstens gehört zu werden. Wieder einmal hatte keiner an die gedacht, die allenfalls den letzten Tisch ganz hinten auf der Party besetzen dürfen. 

Patienten. Menschen, die mit chronischen Erkrankungen leben. Die sich auch mit den digitalen Lösungen im Gesundheitssystem auseinandersetzen und damit leben müssen. Die, die es mit direkt betrifft. Neben Ärzten und Apothekern und anderen Beteiligten am Gesundheitssystem. 

Besonders jetzt, in Zeiten einer Pandemie, wurde klar: Digitalisierung muss voran getrieben werden. Was ja auch gut ist. Ich befürworte viele neue digitale Dinge wie die elektronische Patientenakte, Videosprechstunden, das e-rezept etc. . Diese Tools sind hilfreich wenn es darum geht, als Mitglied einer Risikogruppe den Alltag zu bewältigen, die Lebensqualität zu verbessern oder auch neue Services so zu gestalten, dass sie leicht integrierbar in den Alltag sind. Auch verschiedene Initiativen Diskussionsrunden schossen wie Pilze aus dem Boden, es gibt tägliche Webinare, Livestreams und Diskussionen und viel zu tun. Ich bekam jede Menge Einladungen und sollte bitte alle Veranstaltungen besuchen. 

Es gab und gibt durchaus spannende Themen, man wollte den neuen Bedarf diskutieren, neue Perspektiven aufreißen oder auch sehen, was gute Ideen sind. Und wieder waren es oft illustre Runden von Experten, die sich da gegenseitig die Diskussionsbälle zuwarfen, ab und an unverständlich waren und hier und da neue Aspekte lieferten. Immer im Sinne des Bedarfs. Versteht sich. Oder auch nicht. 

Denn mir fehlte häufig eine Gruppe, die auch im System ist und unbedingt mitdiskutieren sollte, die einen Platz an einem Tisch weiter vorne braucht. 

Patienten

Viele dieser Initiativen sind gut, könnten aber besser sein. Dort wird ja prinzipiell gerne über Patienten gesprochen. Man muss sich ja kümmern, was auch nett ist. Aber nicht genug. Denn über jemanden zu reden ist nicht mit jemandem zu diskutieren. 

Dass das kein einfaches Unterfangen ist, ist logisch. Ich verstehe das.  Patienten denken anders, haben eine andere Perspektive, fragen nach und sind manchmal unbequem. Oft sind sie unsicher und nicht selten fehlt es an Informationen, die nötig sind, um etwas gut zu verstehen. Daher wäre eine Diskussion die beste Lösung um zueinander zu finden, zu lernen und sich auszutauschen. Mit schlüssigen Erklärungen schafft man Verständnis und Verstehen und damit eine Grundlage für eine gute Diskussion, neue Perspektiven und Denkansätze. Wer etwas versteht, kann umdenken, lässt sich umstimmen oder dazu motivieren, eine neue Position einzunehmen. Und das können Patienten, vielleicht nicht alle, zugegeben, nicht alle wollen das. Aber es gibt sie, diejenigen, die interessiert sind und gerne Teil des Ganzen wären, weil ihnen daran liegt, bestmögliche und gute Lösungen zu bekommen, die für alle passen. Die, die dazu lernen, sich freiwillig zu Kursen anmelden, Vorträge hören und Bildung suchen. Weil Patient oder Patientin zu sein eben mehr ist. Nicht nur krank zu sein. Es heißt auch, am Ball zu bleiben, sich zu interessieren und neue Wege einzuschlagen. Dazu kommt, dass viele sogar in den Berufen arbeiten, sich wirklich mit der Materie "Digitalisierung im Gesundheitswesen" professionell auseinandersetzen. 

Ich finde es wichtig, dass wir alle darüber nachdenken, wie Patienten einbezogen werden. Nur einen davon in ein Gremium zu holen, ist nicht genug. Es wird doch immer betont, dass Patienten so wichtig sind. Sie sind längst Teil des Systems und müssen dennoch oft laut werden, um eine Stimme zu bekommen. 

Patienten leben täglich mit einer Erkrankung und deren Auswirkungen auf ihr Leben. Und damit haben sie  immer häufiger mit digitalen Gesundheitslösungen zu tun, die ebenso Einfluss auf sie und ihren Alltag nehmen. 

Sie müssen involviert werden. Egal ob Mitglied einer Patientenorganisation oder unabhängig.  Sie müssen zum Teilnehmer an der Diskussion und der Lösung werden. 

 Es ist ein wertschätzendes Miteinander nötig, Verständnis für die unterschiedlichen Perspektiven. 


Damit digitale Gesundheit ein Thema nicht nur für Experten und Initiativen wird, sondern lebensnah, praktisch, einfach anzuwenden und gut verständlich bleibt. Das würde Zweifler vielleicht überzeugen, Kritiker zu Ideengebern machen, Vorurteile abbauen und eine wertschätzende Diskussion aller fördern. Denn die brauchen wir. Damit digitale Gesundheitslösungen und digitale Gesundheit ins Leben passt. 

Birgit 


Text: Birgit Bauer für Manufaktur für Antworten UG 

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