Auf den zweiten Blick aber schon. Denn ich stricke gerne, ich bin verliebt in Wolle und brauche das Handwerk. Zum einen, weil es mich entspannt und beruhigt. Zum anderen weil ich beim Stricken, wenn ich einem Muster folge, meinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Stricken hilft mir immer dann, wenn ich über Aufgaben brüte, Ideen nachsinne oder einen Plan für etwas benötige, das mir im ersten Moment unlösbar erscheint. Und abgesehen davon, ich mache etwas mit der Hand. Ich sehe das, was ich schaffe. Kann es anfassen und am Ende sogar anziehen. Meistens.
Als ich letztens wieder diesen einen, speziellen Moment erlebte, den, in dem klar war, dass es Zeit ist, sich nach guter Wolle umzusehen und über ein Teil stolperte, von dem klar war, dass ich es haben musste, weil es zu schön ist, rief ich bei der Wollhändlerin meines Vertrauens an. Wir kennen uns schon eine Weile und sie weiß genau, dass ich ab und an ein bisschen speziell bin, hochwertige Garne schätze und ziemlich genau weiß, was mir steht und wie ich es anpassen muss.
In unserer Unterhaltung stieß ich auf ein Problem, das mir bis zu jenem Zeitpunkt nicht bewusst war. Aber es ist eines, das mich aufregt, mich erschüttert und das aufzeigt, wie weit das mit der Solidarität so geht.
In unserem Land gibt es viele kleine Wollgeschäfte. Sie alle haben seit Monaten geschlossen. Diese kleinen Händler sind Experten auf ihrem Gebiet, der Handarbeit mit Wolle und wir, die wir gerne stricken oder häkeln, gehen gerne und oft zu ihnen, weil wir dort die Kompetenz, Kreativität und die Qualität finden, die wir bevorzugen.
Diese Läden sind oft nicht online oder betreiben nur eine kleine Fanpage der derlei, weil sie genügend Kunden haben, die gezielt kommen, um sich beraten zu lassen und Wolle für neue Projekte auszuwählen. Man muss wissen, diese Wolle ist oft nicht günstig und damit legt man Wert auf den Kontakt.In diesen kleinen, oft versteckt gelegenen Läden herrscht Leben, Austausch und die Stimmung ist dort meistens hoch kreativ. Strickt man mit Leidenschaft, so wie ich und viele andere, inhaliert man das regelmäßig, man braucht das und weiß die Gesellschaft anderer Strickender sehr zu schätzen.
Damit war es mit dem Lockdown aus. Wolle gab es nur online, und lange Zeit gab es kein Click und Collect.
Seit einigen Wochen geht bestellen und abholen. Nicht optimal, aber besser als nichts. Denn so können wir das, was wir benötigen, vor Ort bestellen. Wo man doch lokal einkaufen und die örtlichen Händler unterstützen soll. Sagt die Politik immer wieder laut und deutlich.
Das Problem hat sich aber woanders aufgetan: Neuerdings häuft sich das Wollangebot in Supermärkten. Dort, wo es eigentlich Dinge des täglichen Bedarfs gibt, bekommt man jetzt immer häufiger Markenwolle zum Schleuderpreis. Sonderposten zwischen Butter und Gewürzen. Versteckt zwischen Klebstift und Feinstrumpfhosen.
Für viele Schnäppchenjäger ist das die Gelegenheit, das eine oder andere Knäuel vom Schnäppchentisch in den Wagen zu werfen, obwohl sie definitiv kein Artikel des täglichen Bedarfs ist, was uns ja immer wieder erklärt wurde. Im Lock - Down nur Dinge des täglichen Bedarfs. Und da gehört Wolle nun einmal nicht dazu, so schade ich das auch finde. Für mich ist sie es. :-)Der schwarze Peter liegt damit bei den kleinen Wollgeschäften, deren Besitzer*innen, die über Jahre hinweg mühsame Netzwerke und Kundenstämme aufgebaut haben, und die wirklich Profis in Sachen Wolle sind. Sie saufen jetzt gnadenlos ab. Weil sie nicht öffnen dürfen und weil andere, die während der ganzen letzten Monate offen haben durften um Dinge des täglichen Bedarfs zu verkaufen sich jetzt auch als Wollhändler hervor tun.
Ehrlich gesagt, das ist unfair. Wie soll bitte ein kleiner, aber feiner und eben spezialisierter Händler überleben, wenn die Großen am Markt, die dieses Spezialsortiment an und für sich gar nicht vertreiben, es nun doch tun? Solidarität oder auch faire Marktaufteilung geht auch irgendwie anders.
Klar kauft ein guter Stricker nicht unbedingt Supermarktwolle. Wer leidenschaftlich strickt, hat einen "Yarn Stash" also ein gut sortiertes Lager. Wohl gemerkt, gekauft beim kleinen Händler. Die Schnäppchenmentaliät vieler tut ihr Übriges, um die Situation zu verschlechtern. Jedes Supermarktknäuel Wolle ist eines, das den kleinen Ladenbesitzern einen Schlag ins Kontor versetzt. Eines, das dafür sorgt, dass das Absaufen der kleinen Läden, die übrigens oft in Innenstädten angesiedelt sind, weitergeht.
Ich hätte mir gewünscht, dass Politiker darauf achten, dass das so oft erwähnte "Sortiment des täglichen Bedarfs" das bleibt, was es ist und sich nicht wie Kraut und Rüben auswächst. Es hätte gut getan zu sagen, dass Wolle im Lebensmittelgeschäft, Supermarkt, etc. nicht verkauft werden darf. Das hätte den kleinen spezialisierten Läden einen gewissen Schutz zukommen lassen und ihnen vielleicht geholfen, besser oder länger zu überleben. Man hätte auch Click and Collect früher erlauben können, zumal jeder, der das macht, sehr streng auf alle Regeln achtet, die es gibt, gerade was Hygiene und Abstand betrifft. Das habe ich in den letzten Wochen klar gelernt.
Es macht mich ärgerlich zu sehen, wie die kleinen Fachgeschäfte, geht es doch nicht nur um mein Wollgeschäft, sondern um viele andere spezialisierte Geschäfte, die jetzt ein dickes Problem haben und nicht wissen, wie es weitergeht. Und ich bin enttäuscht, dass hier nicht genauer hingeschaut wurde, um die einen zu schützen und denen, die ohnehin ihre täglichen Umsätze machen, Grenzen zog, indem man sie dazu verpflichtet, wirklich nur Dinge des täglichen Bedarfs zu verkaufen.
Weil ich nicht will, dass mein lokales Wollgeschäft mit seiner Besitzerin untergeht. Ich möchte wenigstens einen Laden in meiner Kleinstadt haben, in dem ich mich mit meinem Hobby Zuhause fühlen kann, in dem ich mein Stricknetzwerk vor Ort gut aufgehoben weiß und finde, was ich brauche: Gute Qualität, tolle Beratung, Ideen und Austausch. Eine Fachfrau, die weiß wovon sie spricht und in Wolle und sei es nur günstige Sockenwolle, einen tollen Rohstoff für tolle Erzeugnisse sieht und nicht nur ein Schnäppchen vom Krabbeltisch im Supermarkt und Wolle im Einkaufswagen zwischen Nudeln, Milch und Joghurt, was dem Rohstoff an sich schon gar nicht gerecht wird.
Grund genug für mich, das auch mal aufzuschreiben und klar zu sagen, dass Innenstadtschutz in Pandemiezeiten damit anfängt, Sortimente zu schützen und zu bewahren und den Fachhändlern früher ein "Click and Collect" zu gestatten, um ihnen unter die Arme zu greifen, bevor sie absaufen und Innenstädte noch leerer werden als sie ohnehin schon sind.
Strickende Grüße von einer, die Menschen vom Fach noch zu schätzen weiß!
Birgit
Text: Birgit Bauer, Manufaktur für Antworten UG
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